Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluß eines nichtkrankenversicherten Schwerbehinderten aus sozialer und privater Pflegeversicherung verfassungsgemäß

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Schwerbehinderter ohne gesetzliche oder private Krankenversicherung, der seinen Lebensunterhalt einschließlich der Krankheitskosten aus eigenem Vermögen bestreitet, ist weder Mitglied einer gesetzlichen Pflegekasse, noch verpflichtet, eine private Pflegeversicherung abzuschließen.

 

Verfahrensgang

SG Trier (Urteil vom 27.03.1996; Aktenzeichen S 2 P 4/95)

 

Nachgehend

BVerfG (Urteil vom 03.04.2001; Aktenzeichen 1 BvR 81/98)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 27.3.1996 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit der Berufung erstrebt der Kläger weiterhin die Feststellung seiner Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung.

Der 1920 geborene Kläger ist infolge eines im zweiten Lebensjahr erlittenen Unfalls geistig behindert. Darüber hinaus leidet er an Epilepsie. Der nach dem Schwerbehindertengesetz anerkannte Grad der Behinderung beträgt 100 %. Bis zu seinem 27. Lebensjahr war der Kläger nach seinen Angaben über seinen Vater in der gesetzlichen Krankenversicherung mitversichert. Seither besteht für ihn weder einer gesetzliche noch private Krankenversicherung. Seinen Lebensunterhalt und die bei Krankheit anfallenden Kosten bestreitet er aus dem ihm von seinen Eltern überlassenen Vermögen. Die Eltern leben beide nicht mehr. Der Kläger ist nicht verheiratet.

Im November 1994 beantragte der Kläger bei der Beklagten Aufnahme als Mitglied der sozialen Pflegeversicherung. Er führte dazu aus, der Ausschluß nichtkrankenversicherter Schwerbehinderter aus dem Kreis der Versicherungspflichtigen sei verfassungswidrig. Damit werde willkürlich einem geringen, aber besonders bedürftigen Teil der Gesamtbevölkerung der Versicherungsschutz versagt und die getroffene Eigenvorsorge bestraft.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 23.11.1994 und Widerspruchsbescheid vom 23.5.1995 ab, weil der Kläger nicht zu den in §§ 20, 21 SGB XI genannten Personen gehöre.

Mit der Klage hat der Kläger sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Ergänzend hat er ausgeführt, auch nichtkrankenversicherte Beamte könnten der Pflegeversicherung beitreten. Außerdem seien Sozialhilfeempfänger ab 1.1.1997 in der Pflegeversicherung versichert. Wenn ihm die Pflegeversicherung verschlossen bleibe, werde somit die Vorsorge seiner Eltern bestraft.

Mit Urteil vom 22.3.1996 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 30.3.1996 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.4.1996 Berufung eingelegt.

Er trägt ergänzend vor, das Sozialgericht habe seine Argumente nicht ausreichend gewürdigt. Die Auffassung, er habe seinen Ausschluß aus der Pflegeversicherung selbst zu vertreten, weil er früher keiner Krankenversicherung beigetreten sei, verkenne, daß die Einführung einer Pflegeversicherung keineswegs vorhersehbar gewesen sei. Daß diese neue Versicherung weniger als 0,3 % der Bevölkerung außen vorlasse, sei nicht vertretbar.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und festzustellen, daß er Mitglied der beklagten Pflegekasse sei,

hilfsweise, das Verfahren gemäß Art. 100 BG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen sowie

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozeßakten und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger ist gemäß §§ 20, 21, 25 SGB X nicht bei der beklagten Pflegekasse pflichtversichert und auch nicht nach § 26 SGB X zur freiwilligen Weiterversicherung bei ihr berechtigt. Ebensowenig ist er nach § 23 SGB XI verpflichtet, zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen privaten Versicherungsvertrag abzuschließen. Über seine etwaige Berechtigung, einen solchen Privatversicherungsvertrag abzuschließen, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.

Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung besteht nach § 20 SGB XI grundsätzlich nur für Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. Da der Kläger zu keinem der in § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 und Abs. 3 SGB XI genannten Personenkreise gehört, scheidet eine Versicherungspflicht nach dieser Vorschrift für ihn aus. Ebensowenig gehört der Kläger zu den sonstigen Personen, für die nach § 21 SGB XI ausnahmsweise Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung auch ohne Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht.

Der Kläger erfüllt auch nicht die...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge