Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenübernahme. Gesichtsoperation. Begriff der Behandlungsbedürftigkeit
Leitsatz (amtlich)
Eine gesetzliche Krankenkasse hat im Rahmen der Krankenbehandlung die Kosten für eine Gesichtsoperation zu übernehmen, wenn trotz normaler körperlicher Funktion eine Entstellung vorliegt, die geeignet ist, auf Mitmenschen abstoßend zu wirken.
Orientierungssatz
Behandlungsbedürftigkeit liegt vor, wenn durch den regelwidrigen Gesundheitszustand die körperlichen oder geistigen Funktionen in einem so beträchtlichen Maße eingeschränkt sind, dass ihre Wiederherstellung der Mithilfe des Arztes, also der ärztlichen Behandlung bedarf.
Normenkette
SGB V § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 13 Abs. 3, § 27 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
SG Koblenz (Urteil vom 09.07.2001; Aktenzeichen S 8 KR 108/99) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für eine Gesichtsoperation.
Der am ... 1972 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er erkrankte 1987 an einem Lupus erythematodes profundus und einem chronisch discoiden Lupus erythematodes. Nach einem Arztbericht von Prof. Dr. Dr. B/Prof. Dr. B von der Klinik und Poliklinik für Dermatologie der R F-W-U in B vom 30.10.1998 kam es im Rahmen dieser Erkrankung zu einer Fettgewebsatrophie im Bereich beider Wangen, die als Einziehungen deutlich sichtbar waren. Weiterhin fand sich ein subkutaner Knoten im Bereich der linken Wange, der unter Medikation nicht zur Rückbildung gebracht werden konnte und deshalb in Lokalanästhesie entfernt wurde. Da die Erkrankung seit längerer Zeit klinisch nicht mehr aktiv sei, sei eine Auffütterung der Atrophie im Wangenbereich mit autologem Fettgewebe geplant. Dieses Verfahren sei bereits mehrfach erfolgreich angewandt und auch publiziert worden.
Im Oktober 1998 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Kostenübernahme für die geplante Operation. Er teilte mit, eine solche Behandlung werde nur privat von Kosmetikchirurgen angeboten, die Kosten beliefen sich voraussichtlich auf ca 3.900,-- DM.
Dr. S vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Nordrhein führte in einer gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 16.11.1998 aus, die geplante Behandlungsmethode sei bisher nicht umfangreich erprobt, so dass über das Langzeitergebnis keine Aussagen gemacht werden könnten. Darüber hinaus habe die geplante Operation im Wesentlichen einen kosmetischen Effekt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt könne daher aus medizinischer Sicht eine Kostenübernahme nicht empfohlen werden. Mit Bescheid vom 24.11.1998 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme für die Atrophieunterfütterung im Wangenbereich ab. Am 26.11.1998 ließ der Kläger eine erste Operation durch die zum damaligen Zeitpunkt nicht als Vertragsärztin zugelassene Hautärztin Dr. F in B durchführen. Die Kosten hierfür beliefen sich auf 3.761,60 DM.
Im Widerspruchsverfahren erstattete Dr. B vom MDK Rheinland-Pfalz am 15.1.1999 nach Untersuchung des Klägers ein Gutachten. Er führte aus, es liege eine Erkrankung im medizinischen Sinne vor. Diese Erkrankung habe zu einer Atrophie des subkutanen Fettgewebes geführt und damit zu einem nicht normalen körperlichen Zustand. Dieser nicht normale körperliche Zustand habe aber keinerlei Funktionseinschränkungen zur Folge, ein entstellendes Aussehen lasse sich ebenfalls nicht feststellen. Die bereits durchgeführte erste wie auch eine geplante zweite Operation seien deshalb nicht notwendig, so dass die sozialmedizinischen Voraussetzungen für eine Kostenübernahme durch die Beklagte nicht vorlägen. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.6.1999 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch des Klägers zurück.
Das Sozialgericht Koblenz (SG) hat medizinische Unterlagen von Frau Dr. F und von der Klinik und Poliklinik für Dermatologie der R F-W-U B beigezogen. In einer von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme vom 21.2.2000 hat Dr. B hierzu ausgeführt, auch nach Auswertung der beigezogenen Bilder könne eine präoperative entstellende Wirkung nicht festgestellt werden. Es verbleibe daher bei den bisherigen gutachterlichen Feststellungen.
Auf Antrag des Klägers haben Prof. Dr. Dr. B/Prof. Dr. B von der Klinik und Poliklinik für Dermatologie der R F-W-U B am 28.11.2000 ein hautfachärztliches Gutachten erstattet. Sie haben zusammenfassend ausgeführt, die Fettgewebsatrophie stelle eine erhebliche Abweichung von der Norm dar, so dass ein regelwidriger Körperzustand bejaht werden könne und damit eine Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne vorliege. Die durchgeführte Behandlung sei erforderlich gewesen, weil durch die Fettgewebstransplantation die Atrophie zwar nicht habe geheilt, aber doch wesentlich verbessert werden können. Der erreichte Zustand könne nicht mehr als eine erhebliche Abweichung von der Norm angesehen werden. Da andere Therapiemaßnahmen für diese Krankheit nicht existierten, stelle die autologe Fettgewebstransplantation eine zweckmäßige und wirtschaftliche Leistung dar. Es sei nicht erkennbar, dass das Maß des ...