Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewaltopferentschädigung. Hilfsmittelversorgung. eigenhändige Beschaffung des Hilfsmittels. Kostenerstattung. Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. "andere Hilfsmittel". Gegenstände der Freizeitbeschäftigung
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn der nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) Heilbehandlungsberechtigte eine von der Versorgungsverwaltung geschuldete Heilbehandlungsmaßnahme selbst durchgeführt hat - etwa durch die Beschaffung eines Hilfsmittels -, so sind ihm nach § 18 Abs 4 S 1 BVG die Kosten im angemessenen Umfang zu erstatten, wenn unvermeidbare Umstände die Inanspruchnahme der Verwaltungsbehörde unmöglich machten, zB wenn die zuständige Behörde die Sachleistung zuvor zu Unrecht abgelehnt hat.
2. Gegenstände, die typischerweise als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens einzustufen sind und die weder speziell für Behinderte entwickelt noch in Sonderausführung für Behinderte geliefert wurden, können ausnahmsweise nach § 18 Abs 1 S 3 OrthV als Sachleistung geliefert werden, wenn der Behinderte sie ohne die Behinderung nicht erwerben würde und sie im täglichen Leben dringend benötigt werden. Darunter fallen aber nur Gegenstände, die im menschlichen Alltag benötigt werden, die also jedermann zur Befriedigung seiner alltäglichen Grundbedürfnisse braucht.
3. Nach § 16 S 2 OrthV können als "andere Hilfsmittel" auch solche Gegenstände zur Verfügung gestellt werden, deren Lieferung nicht durch andere Vorschriften der OrthV geregelt ist oder für die nicht Ersatzleistungen zustehen, zu deren Lieferung die Krankenkasse ihren Mitgliedern verpflichtet ist. Auch danach haben Versicherte grundsätzlich nur insoweit einen Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, als diese nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind.
4. Ein Mountainbike-Fahrrad, Ski- bzw Wanderstöcke, Fahrradhandschuhe und Badezubehör sind als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen; eine Verpflichtung der Versorgungsverwaltung zur Erstattung der Anschaffungskosten gegenüber dem Versorgungsberechtigten besteht insoweit nicht.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG), die Gewährung von Versorgung nach dem OEG sowie die Erstattung der Kosten für die Anschaffung eines Mountainbike-Fahrrades, von Ski- bzw. Wanderstöcken, Fahrradhandschuhen und Badezubehör.
Der 1951 geborene Kläger wurde am 19.07.1994 ohne rechtfertigenden Grund von mehreren Personen angegriffen, wobei er eine Platzwunde, einen Bluterguss im Gesicht und eine Sprunggelenksluxationsfraktur rechts mit Außenknöchelfraktur erlitt. Im August 1994 beantragte er beim Versorgungsamt L wegen der Folgen dieses Ereignisses Versorgung nach dem OEG. Das Versorgungsamt zog die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft F bei (Az: ... sowie die Behandlungsunterlagen des Klägers bei und ließ ihn seine Angaben über den Hergang des schädigenden Ereignisses an Eides statt versichern. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme der Medizinaldirektorin ... erkannte das Versorgungsamt L mit Bescheid vom 31.10.1995 als Schädigungsfolgen nach dem OEG mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) unter 25 vH nach § 30 Abs. 1 BVG an: "Bewegungseinschränkung im rechten oberen und unteren Sprunggelenk und Schwellneigung des Unterschenkels bei operativ versorgtem Sprunggelenksbruch". Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs für den Fall, dass sich herausstellen sollte, dass mangels eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs gemäß § 1 OEG oder aufgrund des Vorliegens eines Versagensgrundes im Sinne des § 2 OEG Versorgung nach dem OEG nicht zustehe.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit dem Ziel der Anerkennung einer höheren MdE.
Mit Bescheid vom 14.01.1997 hob das Versorgungsamt L den Vorbehalt im Bescheid vom 31.10.1995 auf. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.1997 wies der Beklagte den Widerspruch nach versorgungsärztlicher Beteiligung zurück. Zur Begründung führte er aus, die anerkannten Schädigungsfolgen rechtfertigten weiterhin keine MdE von wenigstens 25 vH. Die Funktionsstörungen an den Sprunggelenken des Klägers sei mit einer MdE von schon 20 vH nur im Hinblick auf die Schwellneigung des Unterschenkels, vorhandene Sensibilitätsstörungen und eine röntgenologisch nachzuweisende leicht- bis mittelgradige posttraumatische Arthrose zu rechtfertigen, nicht aber aufgrund der festgestellten Bewegungseinschränkung. Zudem lägen knöchern fest konsolidierte Frakturverhältnisse vor; es sei von einem relativ guten funktionellen Ergebnis auszugehen, was sich z.B. an einem flotten Gangbild ohne sichtbares Hinken zeige.
Hiergegen hat der Kläger vor dem Sozialgericht Speyer Klage erhoben (Az: S 12 VG 2/97), die Anerkennung einer MdE von mindestens 25 vH geltend gemacht und ausgeführt, aufgrund der Gewalttat hätten sich inzwischen auch massive Angstzustände entwickelt (Alpträume, Angst im Dunkeln, Schlafstörung...