Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücknahme und Aufhebung der Bewilligung eines Gründungszuschusses. fehlende Mitteilung der Gewerbeuntersagung. grobe Fahrlässigkeit. Unkenntnis. Zurechnung des Vertreterhandelns. Umfang der selbständigen Tätigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die Rücknahme der Bewilligung eines Gründungszuschusses gem § 45 Abs 1 S 1 SGB 10 ist rechtmäßig, wenn die dem Gründungszuschuss zugrundeliegende selbständige Tätigkeit tatsächlich von Anfang an nicht rechtmäßig ausgeübt werden konnte und der Arbeitnehmer die Gewerbeuntersagung grob fahrlässig nicht mitgeteilt hat sowie grob fahrlässig in Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung gewesen ist.

2. Der Arbeitnehmer kann sich nicht auf Unkenntnis der Gewerbeuntersagung berufen. Aufgrund des ihm bekannten gesundheitlichen Zustandes seines Vaters sowie der fehlenden Sachkompetenz seines minderjährigen Bruders, hätte er sich zwingend veranlasst sehen müssen, sich selbst um seine Angelegenheit zu kümmern.

3. Ergänzend ist die Bewilligung gem § 48 Abs 1 S 1 SGB 10 aufzuheben, da der Arbeitnehmer nicht mittgeteilt hat, dass er die angestrebte selbständige Tätigkeit nicht im Umfang von mindestens 15 Wochenstunden aufgenommen hat, bzw ihm die eingetretene Rechtswidrigkeit der Bewilligung bekannt sein musste.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 02.09.2015; Aktenzeichen B 11 AL 34/15 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 28.09.2009 - S 17 AL 284/07 - wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung eines Gründungszuschusses (Gz) für die Zeit vom 01.04.2007 bis zum 31.07.2007 und die Rückforderung der in diesem Zeitraum erbrachten Leistungen.

Dem 1980 geborenen Kläger war durch Bescheid vom 19.07.2006 ab dem 01.07.2006 Arbeitslosengeld (Alg) bis zum 29.06.2007 bewilligt worden, nachdem er zuvor vom 01.09.2001 bis zum 30.06.2006 bei der N. Lebensversicherungs AG in K. beschäftigt gewesen war. Die Kündigung erfolgte von Seiten der Arbeitgeberin, da Kontenpfändungen und negative Schufa-Einträge vorlagen und dem Kläger in der Folge Umsatzvorgaben gemacht wurden, die er nach seinen Angaben nicht einhalten konnte. Die Kontopfändungen und negativen Schufa-Einträge resultierten aus einem im Jahr 2000 in S. angemeldeten Gewerbe zur Vermittlung von Immobilien. Der Vater des Klägers war ebenfalls Immobilienmakler und betrieb nach Angaben des Klägers "mehr oder weniger" auch dessen Gewerbe, durch den Kläger sei nur eine Mithilfe erfolgt. Im August 2001 zog der Kläger nach B. In der Zwischenzeit versäumte er es, Steuerklärungen abzugeben, so dass Einkünfte geschätzt und Nachforderungen erhoben wurden, gegen die sich der Kläger, vertreten durch den Vater, gerichtlich und außergerichtlich zur Wehr setzte. In der Folge kam es zu Kontenpfändungen und den daraus entstehenden negativen Schufa-Einträgen. Schließlich erfolgte am 05.01.2006 eine Gewerbeuntersagung durch die Stadt S., gerichtet noch an die Anschrift der Eltern. Hiergegen ging nach Auskunft des Klägers dessen Vater gerichtlich vor, ohne ihn über die Untersagung zu informieren. Im Dezember 2006 verzog der Kläger nach H.

Am 15.03.2007 stellte er einen Antrag auf Gz. Er gab an, eine selbständige Tätigkeit als Versicherungsmakler in H. ab dem 31.03.2007 aufzunehmen. Das Antragsformular enthält unmittelbar über der Zeile mit der Orts- und Datumsangabe und der Unterschrift des Klägers eine "Erklärung" mit folgendem Inhalt:

"Ich versichere die Richtigkeit meiner Angaben. Ich werde der Agentur für Arbeit unverzüglich alle Änderungen mitteilen, die Auswirkungen auf die Leistungen haben können.

(..)

Das Merkblatt 3 - Vermittlungsdienste und Leistungen, in dem auch auf die Mitteilungspflichten und den Datenschutz hingewiesen ist (Kapitel 8), habe ich erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen."

Die noch fortbestehende Gewerbeuntersagung wurde nicht mitgeteilt. Vorgelegt wurden eine Gewerbeanmeldung vom 14.03.2007, die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vom 09.03.2007, ein Lebenslauf, ein Businessplan, ein Prüfungszeugnis der IHK vom 15.07.2003, eine Maklervereinbarung mit dem A. Maklerverband, ein Ausbildungszeugnis vom Juli 2003, eine Bescheinigung über den Besuch eines Existenzgründerseminars vom 12.12.2006, eine Anmeldebestätigung vom 07.12.2006 und eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister vom 06.09.2006 (ohne Eintrag).

Durch Bescheid vom 11.04.2007 bewilligte die Beklagte Gz für die Zeit vom 31.03.2007 bis zum 31.12.2007 in Höhe von (iHv) 1.428,90 € monatlich (einschließlich Pauschale von 300,00 € für soziale Sicherung). Mit Schreiben vom 30.08.2007 fragte die Kreisverwaltung Westerwaldkreis (KV) nach dem Sachstand des Verfahrens des Klägers bei der Beklagten an, wobei im Betreff ua der Begriff “Gewerbeuntersagungsverfügung„ aufgeführt war. Durch Schreiben vom 04.09.2007 teilte die Beklagte der KV den Bezug des Gz durch den Kläger mit. Hierauf wurde mit Schreiben vom 07.09.2007 (...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge