Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich. Rentenanwartschaftsminderung. Beitragsnachentrichtung. beamtenrechtliche Ruhensregelung. Beratungsmangel. Herstellungsanspruch. Zinspflicht
Leitsatz (amtlich)
1. Macht der Versicherungsträger von sich aus einen Versicherten mit Anspruch auf beamtenrechtliche Versorgung auf die Möglichkeit aufmerksam, eine infolge des Versorgungsausgleichs nach § 1587 b Abs. 6 BGB entstandene Minderung seiner Rentenanwartschaften durch die freiwillige Entrichtung von Beiträgen auszugleichen, ist er verpflichtet, auch auf die Ruhensregelung des § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes hinzuweisen.
2. Kommt der Versicherungsträger dieser Verpflichtung nicht nach, kann darin ein Beratungsmangel liegen, der geeignet ist, einen Herstellungsanspruch des Versicherten zu begründen.
3. Der auf die Rückzahlung von nach § 83 a Abs. 6 AVG geleisteten Beiträge gerichtete Herstellungsanspruch ist in entsprechender Anwendung des § 27 Abs. 1 SGB IV zu verzinsen.
Normenkette
BGB § 1587b; AVG § 83a Abs. 6; Beamtenversorgungsgesetz § 55; SGB IV § 27 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Mainz (Urteil vom 19.08.1983; Aktenzeichen S 6 A 69/83) |
Tenor
1 Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 19. August 1983 sowie der Bescheid der Beklagten vom 19. November 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. April 1983 aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.246,22 DM nebst 4 v.H. Zinsen hieraus ab dem 1. März 1982 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat dem Kläger die in beiden Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der 1937 geborene Kläger ist seit 1967 Beamter im Dienste des Landes Rheinland-Pfalz und besitzt außerdem Rentenanwartschaften. Mit rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Bingen vom 1. Juni 1981 wurde seine Ehe nach 16jähriger Dauer geschieden. Durch das Urteil wurden zum Zwecke des Versorgungsausgleichs die Hälfte des Differenzbetrages zwischen den Rentenanwartschaften der beiden Eheleute sowie die Hälfte der Versorgungsanwartschaften des Klägers auf das bereits bestehende Rentenkonto seiner geschiedenen Ehefrau bei der Beklagten übertragen. Mit Schreiben vom 14. August 1981 teilte die Beklagte dem Kläger die Übertragung der Anwartschaften mit und machte ihn darauf aufmerksam, daß er die dadurch für ihn entstandene Minderung der Rentenanwartschaft durch eine freiwillige Entrichtung von Beitragen ausgleichen könne; der dafür erforderliche Betrag belaufe sich auf 7.246,22 DM. Diesen Betrag hat der Kläger am 4. November 1981 an die Beklagte überwiesen, bei der er am 10. November 1981 einging und verbucht wurde.
Mit Schreiben vom 16. Januar 1982 beantragte der Kläger erstmals den von ihm überwiesenen Betrag als freiwillige Monatsbeiträge oder als Höherversicherungsbeiträge für die Zeit des Bestehens seiner Ehe vom 1. Juli 1964 bis 30. Juni 1980 anzuerkennen, um damit ungünstige Auswirkungen bei der späteren Anwendung des § 65 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) zu verhindern; hilfsweise begehrte er die Rücküberweisung des eingezahlten Betrages. Nach mehrfachem Schriftwechsel lehnte es die Beklagte durch Bescheid vom 19. November 1982 ab, dem Betrag von 7.246,22 DM als freiwillige Beiträge anzuerkennen, weil es sich dabei nicht um die Leistung von freiwilligen Beiträgen, sondern eine freiwillige Beitragszahlung zur Auffüllung von Rentenanwartschaften gehandelt habe; auch eine Rückzahlung des Ausgleichsbetrages komme nicht im Betracht, da der Betrag rechtswirksam entrichtet worden sei. Den Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 21. April 1983 aus den gleichen Gründen zurück.
Das Sozialgericht Mainz (SG) hat die Klage, mit weicher der Kläger nur noch die Rückzahlung des Betrages von 7.246,22 DM anstrebte, durch Urteil vom 19. August 1983 abgewiesen und im wesentlichen dazu ausgeführt: Der Kläger habe die Beiträge nicht im Rahmen einer freiwilligen Versicherung entrichtet, vielmehr als Sonderbeiträge ohne zeitliche Zuordnung zum Ausgleich seines durch die Übertragung von Rentensanwartschaften auf seine geschiedene Ehefrau verminderten Versichertenkontes. Die Sonderzahlung sei auch nicht deshalb zu Unrecht erfolgt, weil der Kläger seine der Beitragsentrichtung zugrundeliegende Willenserklärung wegen Irrtums angefochten habe; denn ein als Rechtsirrtum beachtlicher Inhaltsirrtum liege nicht vor. Darüberhinaus sei nicht erkennbar, welche Nachteile dem Kläger durch die Anwendung des § 55 BeamtVG in Bezug auf die Sonderzahlung entstehen könne; es sei im Gegenteil davon auszugehen, daß ihm durch diese Zahlung auch bei Anwendung des § 55 BeamtVG ein Vorteil erwachse, da bei der dort festgelegten Ruhensregelung eine durch Übertragung von Rentenanwartschaften herbeigeführte Rentenminderung unabhängig davon unberücksichtigt bleibe, ob eine Ausgleichszahlung geleistet worden sei oder nicht.
Der Kläger hat gegen das am 14. Oktober 1983 als Einschreiben zur Post gegebene Urteil am 20. Oktober 1983 Berufung ei...