Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 22.01.1975; Aktenzeichen S 2 Ar 202/75) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 22. Januar 1975 abgeändert:
Es wird festgestellt, daß der Bescheid des Arbeitsamtes Kaiserslautern vom 5. März 1975 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 1975 rechtswidrig ist.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit der zugelassenen Berufung wendet sich der Kläger weiterhin gegen die Versagung einer Arbeitserlaubnis nach § 19 Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in Verbindung mit § 1 Nr. 1 der Arbeitserlaubnisverordnung (AEVO).
Der 1929 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er war von Ende Juni 1972 bis März 1975 ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland bei der Firma L. GmbH in W. beschäftigt. Er ist verheiratet und hat acht Kinder. Davon leben sieben bei seiner Ehefrau in der Türkei. Lediglich sein am …1957 geborener ältester Sohn A. lebt mit ihm in W. er hat dort ein eigenes Arbeitseinkommen von monatlich rund 900,– DM netto.
Am 6. Februar 1975 beantragte der Kläger beim Arbeitsamt Kaiserslautern – Dienststelle Waldmohr – die Erteilung einer Arbeitserlaubnis ab 1. März 1975 für die weitere Tätigkeit als Bürster bei der Firma L. Diese bestätigte, daß er entsprechend dem Antrag beschäftigt werden solle. In einer Stellungnahme vom 18. Februar 1975 zu dem Antrag des Klägers wies der zuständige Hauptvermittler darauf hin, für die genannte Tätigkeit stünden geeignete deutsche oder ihnen gleichgestellte Arbeitnehmer zu Verfügung. Die Firma L. beabsichtige, noch in der gleichen Woche einen Antrag auf anzeigepflichtige Entlassungen zu stellen.
Beschäftigungsmöglichkeiten für Ausländer bestünden bei ihr nicht mehr.
Mit Bescheid vom 5. März 1975 lehnte das Arbeitsamt Kaiserslautern deshalb die Erteilung der beantragten Arbeitserlaubnis ab, da sie nach der derzeitigen und künftig absehbaren Arbeitsmarktlage die Beschäftigungsmöglichkeiten für deutsche und ihnen gleichgestellte Arbeitnehmer beeinträchtigen würde. Besonderheiten in den persönlichen Verhältnissen des Klägers, die eine andere Entscheidung rechtfertigten, seien nicht bekannt.
Der daraufhin von der Firma L. entlassene Kläger führte im Widerspruchsverfahren aus, er müsse auch noch den Lebensunterhalt seines Vaters bestreiten. Er habe kein Vermögen und keine Einkünfte. Aufgrund dieser besonderen Verhältnisse sei er auf die weitere Arbeitserlaubnis angewiesen.
Die Widerspruchsstelle des Arbeitsamts Kaiserslautern wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 8. Oktober 1975 zurück. Die Voraussetzungen des § 2 AEVO für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis, unabhängig von der Lage und der Entwicklung des Arbeitsmarkts, lägen nicht vor. Der Kläger sei noch nicht fünf Jahre im Geltungsbereich der AEVO beschäftigt, er sei nicht mit einer Deutschen verheiratet, habe kein Asylrecht und sei nicht als ausländischer Flüchtling anerkannt. Sein Einwand, daß er eine große Familie zu unterhalten habe, könne bei der Entscheidung nicht berücksichtigt werden. Nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts sei die beantragte Arbeitserlaubnis zu versagen. Die Quote der von Arbeitslosigkeit betroffenen deutschen und ihnen gleichgestellten Arbeitnehmern, die vorrangig Anspruch auf Erhalt einer Arbeitsstelle hätten, sei hoch. Für die absehbare Zukunft sei keine Verbesserung dieser Arbeitsmarktsituation zu erkennen. Im übrigen sei auch die betriebliche Lage der Firma L. zum Zeitpunkt der Antragstellung ungünstig gewesen. Das ergebe sich daraus, daß sie damals Kurzarbeit durchgeführt habe.
Mit der am 7. November 1975 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er sei von der Firma L. nur wegen Versagung der Arbeitserlaubnis entlassen worden. Im Fall einer Entlassung nach Verlängerung der Arbeitserlaubnis hätte er zumindest, wie andere Arbeiter auch, eine Abfindung von 1.000,– DM pro Beschäftigungsjahr erhalten. Arbeitsmarktpolitische Gründe für die Versagung der Arbeitserlaubnis hätten nicht vorgelegen. Ein 10 Tage vor ihm entlassener türkischer Arbeitskollege, der eine Abfindung erhalten habe, sei nach zwei oder drei Monaten im Mai oder Juni 1975 wieder bei der Firma L. eingestellt worden, nachdem diese inzwischen von der Firma M. übernommen worden sei. Er habe nach seiner Entlassung vorübergehend Arbeitslosengeld bezogen. Inzwischen, seit dem 13. November 1975, arbeite er in einem amerikanischen Depot als Lagerarbeiter. Hierfür sei ihm eine Arbeitserlaubnis erteilt worden.
Das Sozialgericht Speyer hat die Klage mit Urteil vom 22. Januar 1976, das der Vorsitzende am 23. Januar 1976 ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter verkündet hat, abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es im wesentlichen, obwohl der Kläger inzwischen eine Arbeitserlaubnis für eine neue Beschäftigung erhalten habe, bestehe noch ein Rechtsschutzb...