nicht-rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Familienkrankenhilfe. Pflegekinder. Angehörige. Ersatzkassen. Satzung. Ermächtigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Pflegekinder sind weder Kinder noch Angehörige eines Versicherten, für die Familienkrankenhilfe gewährt werden kann.

2. Die Ersatzkassen sind nicht ermächtigt, durch Satzungsbestimmung Pflegekinder in den Kreis der Personen einzubeziehen, für die sie Familienkrankenhilfe gewähren; eine dem entgegenstehende Satzungsbestimmung ist unwirksam, weil sie den Rahmen der den Ersatzkassen eingeräumten Ermächtigung überschreitet.

 

Normenkette

RVO § 205 Abs. 2 Nr. 6, Abs. 3, §§ 508, 179

 

Verfahrensgang

SG Speyer (Urteil vom 19.03.1984; Aktenzeichen S 9 K 48/83)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 14.01.1987; Aktenzeichen 8 RK 49/85)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 19. März 1984 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beigeladene zu 1) ist bei der Klägerin, der Beigeladene zu 2) bei der Beklagten krankenversichert. Das am … 1982 nicht ehelich geborene Kind S. der Beigeladenen zu 1) befindet sich seit 14. März 1983 als Pflegekind im Haushalt des Beigeladenen zu 2), der dafür von der Kreisverwaltung Mainz-Bingen ein monatliches Pflegegeld von 456,– DM erhält, zu dem die Beigeladene zu 1) einen Kostenbeitrag von monatlich 150,– DM leistet. Da der Beigeladene zu 2) einen höheren Krankenversicherungsbeitrag entrichtet als die Beigeladene zu 1) forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 1. März 1983 auf, den bisher von ihr im Rahmen der Familienhilfe gewährten Krankenversicherungsschutz für das Kind S. zu übernehmen und meldete gleichzeitig wegen der von ihr ab dem 14. Januar 1983 erbrachten Krankenhilfeleistungen einen Ersatzanspruch an. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 13. April 1983 ab, weil das Kind S. im Hinblick auf das gezahlte Pflegegeld von dem Beigeladenen zu 2) nicht überwiegend unterhalten worden sei bzw. werde; das vom Jugendamt gezahlte Pflegegeld sei wie eigenes Einkommen des Pflegekindes zu betrachten.

Mit ihrer zum Sozialgericht Speyer (SG) erhobenen Klage beantragte die Klägerin festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Beigeladenen zu 2) Familienkrankenhilfe für das Pflegekind S. ab dem 14. Januar 1983 zu gewähren. Sie machte geltend, die Beklagte habe nach einer Arbeitsanweisung bzw. durch ihre Satzung Pflegekinder in den Kreis der Personen aufgenommen, für die sie Familienkrankenhilfe leiste, weshalb es lediglich darauf ankomme, ob der Unterhalt für das Kind S. überwiegend von den Beigeladenen zu 2) getragen werde. Die von der Beklagten vertretene Ansicht, das Pflegegeld müsse wie eigenes Einkommen des Pflegekindes angesehen werden, sei unrichtig. Aber selbst wenn man diese Meinung vertreten wollte, habe der Beigeladene zu 2) im Hinblick auf die hohen Krankheitskosten, welche die medizinische Versorgung des Kindes S. bisher verursacht habe und weiterhin verursache, mit Sicherheit mehr als die Hälfte des tatsächlichen Bedarfs des Kindes durch Unterhaltsleistungen abgedeckt.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 19. März 1984 abgewiesen und dazu im wesentlichen ausgeführt: Pflegekinder gehörten nicht zu den Personenkreis, für den Krankenkassen Familienkrankenhilfe zu gewähren haben. Nachdem sie keine Angehörigen ihrer Pflegeeltern seien, könnten sie auch nicht durch die Satzung einer Krankenkasse in den berechtigten Personenkreis aufgenommen werden. Deshalb sei die entsprechende Satzungsbestimmung der Beklagten mangels gesetzlicher Ermächtigung unwirksam. Gesetzesvorhaben, Pflegekinder in Bahnen der Familienkrankenhilfe den Kindern gleichzustellen, seien zwar vorhanden gewesen, aber nie verwirklicht worden. Im übrigen sei nicht einsehbar, warum allein aufgrund der Tatsache, daß das Pflegekind S. statt in der eigenen Familie in einer Pflegefamilie lebe, nunmehr die Krankenversicherung der Pflegeeltern für Krankenhilfeleistungen aufkommen solle.

Die Klägerin hat gegen das am 6. April 1984 zugestellte Urteil am 16. April 1984 Berufung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, Pflegekinder seien in Sinne des Gesetzes Angehörige ihrer Pflegeeltern und könnten daher aufgrund Satzungsrechts in zulässiger Weise in die Familienkrankenhilfe ihrer Pflegeeltern einbezogen werden. Nach der in § 56 Abs. 2 Nr. 4 des Sozialgesetzbuches, 1. Buch (SGB I) enthaltenen allgemein gültigen Begriffsdefinition seien sie den leiblichen Kindern gleichgestellt; auch in Bundeskindergeldgesetz (BKGG) fänden sie als Kinder Berücksichtigung. Unter Wiederholung ihres sonstigen Vorbringens aus erster Instanz beantragt die Klägerin, das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 19. März 1984 aufzuheben und festzustellen, daß die Beklagte den Beigeladenen zu 2) für das Pflegekind S. V. ab den 14. Januar 1983 Familienkrankenhilfe zu gewähren hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält ...

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