Leitsatz (amtlich)

Aufsichtshauer und Sicherheitshauer sind in die oberste Berufsgruppe einzuordnen, die durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion charakterisiert wird.

 

Verfahrensgang

SG Koblenz (Urteil vom 16.12.1977; Aktenzeichen S 5 Kn 61/75)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 16. Dezember 1977 wird zurückgewiesen.

2. Auf die Anschlußberufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 16. Dezember 1977 abgeändert. Unter Aufhebung der Bescheide vom 9. Dezember 1974 und 9. September 1975 wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger die Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. September 1974 zu gewähren.

3. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der im … 1931 gebotene Kläger war zunächst Installateurlehrling. Ab Mai 1949 arbeitete er im Steinkohlenbergbau unter Tage zuerst als Schlepper und Lehrhauer. Ab Januar 1953 war er als Hauer tätig. Vom 1. Februar 1963 bis zum 31. August 1972 wurde er als Aufsichtshauer/Sicherheitshauer eingesetzt, anschließend noch bis April 1973 als Lokführer beschäftigt. Von September 1973 an verrichtete er Hilfsarbeiten außerhalb des Bergbaues. Ab Dezember 1974 ist er arbeitslos.

Ausgehend von dem knappschaftlichen Hauptberuf Aufsichtshauer/Sicherheitshauer bewilligte die Beklagte dem Kläger im Mai 1974 die Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit ab 27. Juni 1973. Mit seinem Antrag vom 14. August 1974 begehrte der Kläger, ihm die Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte ließ den Kläger durch ihren Sozialmedizinischen Dienst in Siegen untersuchen. Die Sachverständigen Dr. Sch. und Dr. T. diagnostizieren in ihrem Gutachten vom 31. Oktober 1974 eine Rechtsherzschädigung, ein Lungenemphysem, Verschleißrheumatismus der Schultergelenke und einen Zustand nach Meniskusoperationen an beiden Kniegelenken. Sie meinen, der Kläger sei noch über Tage als Hilfskraft, Heildiener, Probenehmer und Magazinarbeiter einsetzbar.

Durch Bescheid vom 9. Dezember 1974 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag ab. Sie führte aus, Berufsunfähigkeit sei nicht anzunehmen, weil der Kläger die ihm auch als Aufsichtshauer noch zumutbaren Tätigkeiten des Probenehmers 2 und Magazinarbeiters sowie entsprechende Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten könne.

Mit einem Widerspruch machte der Kläger geltend, für ihn als Aufsichtshauer stellten die angegebenen Arbeiten keine sozial zumutbaren Verweisungstätigkeiten dar; darüber hinaus fehlten ihm sowohl die Kenntnisse und Fähigkeiten als auch die körperliche Konstitution, die diese erforderten.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 9. September 1975 mit der Begründung zurück, die vom Kläger behauptete höhere Einstufung eines Sicherheits- bzw. Aufsichtshauers gegenüber einem Hauer könne dahinstehen, da diese Tätigkeit ebenfalls zur Hauptberufsgruppe 1 gehöre; gesundheitlich sei der Kläger durchaus noch fähig, vollschichtig die beschriebenen Vergleichstätigkeiten auszuüben.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Koblenz am 25. September 1975 Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten: Die Beklagte gehe zu Unrecht von einem starren Drei-Stufen-Schema aus. Der für ihn in Betracht kommende Verweisungsbereich sei enger als bei einem Hauer. Als Aufsichtshauer habe er ein entsprechend höheres soziales Ansehen im Betrieb genossen, was auch in der tariflichen Einstufung zum Ausdruck gekommen sei. Die von der Beklagten noch zusätzlich angeführten Verweisungstätigkeiten des Verwiegers 1, Maschinenwärters und Maschinisten 1 schieden schon aus gesundheitlichen Gründen aus.

Das SG hat den Kläger durch den Internisten Dr. E. und den Neurochirurgen Dr. M. untersuchen lassen. Der Sachverständige Dr. E. kommt in seinem Gutachten vom 21. Juli 1976 zu dem Ergebnis, die von ihm festgestellten beginnenden Verschleißerscheinungen des Herz-Kreislauf-Systems hätten noch keinen großen Umfang erreicht. Der Sachverständige Dr. M. bestätigt in seinem Gutachten vom 19. April 1977 die degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule und an beiden Kniegelenken nach Meniskusoperationen. Beide Sachverständige halten den Kläger übereinstimmend für fähig, leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen vollschichtig zu verrichten.

Durch Urteil vom 16. Dezember 1977 hat das SG Koblenz die Bescheide vom 9. Dezember 1974 und 9. September 1975 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. August 1976 die Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren. Es hat sich auf den Standpunkt gestellt, der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit sei im Juli 1976 eingetreten; von diesem Zeitpunkt an hindert die durch gesundheitliche Schäden bedingte Leistungsminderung den Kläger daran, ihm zumutbare Vergleichsarbeiten zu Verrichten; ob der Kläger als Aufsichtshauer/Sicherheitshauer e...

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