Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung ambulanter Krankenhausleistungen. Schiedsspruch über die Festsetzung der Vergütung von Hochschulambulanzen in Rheinland-Pfalz für die Jahre 2019 und 2020. Grundsatz der Beitragssatzstabilität. Ausnahmetatbestand nach § 71 SGB 5. Beurteilung der Leistungsgerechtigkeit. zweistufiges Prüfungsprogramm. nachvollziehbare Darlegung der voraussichtlichen Kosten (hier: beanstandet). externer Vergleich (hier: unterlassen)

 

Orientierungssatz

1. Zur Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs der "Schiedsstelle für die Festsetzung der Krankenhauspflegesätze für Rheinland-Pfalz" über die Festsetzung der Vergütung von Hochschulambulanzen für die Jahre 2019 und 2020.

2. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität ist als verbindliche gesetzliche Vorgabe auch bei Schiedssprüchen über Vergütungsvereinbarungen der Hochschulambulanzen zu beachten.

3. Für eine Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität gem § 71 Abs 1 S 1 Halbs 2 SGB 5 ist einzig entscheidend, wie sich eine geänderte Sach- und/oder Rechtslage auf die wirtschaftliche Betriebsführung der Einrichtung konkret auswirkt, ob also der Ausnahmetatbestand tatsächlich erfüllt ist (vgl BSG vom 17.11.2022 - B 6 KA 9/21 R - zur Veröffentlichung vorgesehen RdNr 36).

4. Die Beurteilung der Leistungsgerechtigkeit der Vergütung der Hochschulambulanzen nach § 120 Abs 2 SGB 5 in der Fassung vom 16.7.2015 erfolgt ebenso in Anlehnung an das vom 3. Senat des BSG ursprünglich für den Bereich der Pflegesatzverfahren nach § 84 SGB 11 entwickelte zweistufige Prüfungsprogramm (vgl BSG vom 17.11.2022 - B 6 KA 9/21 R aaO RdNr 41), wie dies bei der Vergütung sozialpädiatrischer Zentren nach § 120 Abs 2 SGB 5 der Fall ist (vgl BSG vom 13.5.2015 - B 6 KA 20/14 R = BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 33ff mwN).

5. Grundlage der Vergütungsverhandlungen ist danach zunächst in einem ersten Schritt die Abschätzung der voraussichtlichen Kosten der in der Einrichtung erbrachten Leistungen anhand einer plausiblen und nachvollziehbaren Darlegung (Prognose).

6. Im zweiten Schritt ist die Leistungsgerechtigkeit anhand eines Vergleichs mit den Kostenansätzen vergleichbarer Leistungen in anderen Einrichtungen zu prüfen (externer Vergleich).

 

Tenor

1. Der Beschluss der Beklagten vom 06.10.2020 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über die Festsetzung der Vergütung der Hochschulambulanzen der Beigeladenen für die Jahre 2019 und 2020 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

2. Die Kosten des Verfahrens haben die Beklagte und die Beigeladene jeweils zur Hälfte zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die von der beklagten Schiedsstelle festgesetzte Höhe der Vergütung für Leistungen der von der Beigeladenen betriebenen Hochschulambulanzen - mit Ausnahme der Zahnmedizin - für die Jahre 2019 und 2020.

Die Beigeladene ist die Universitätsklinik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Ihre 24 Hauptabteilungen bieten ambulante Behandlungen an. Zuletzt hatte die Beigeladene mit den klagenden Krankenkassen und Krankenkassenverbänden am 29.09.2017 eine Vergütungsvereinbarung für ihre Hochschulambulanzen für den Vergütungszeitraum 01.07.2017 bis 31.12.2018 getroffen. Dabei wurden eine einheitliche Pauschale je Fall und Quartal in Höhe von 135 € für das zweite Halbjahr 2017 und in Höhe von 145 € für das Jahr 2018 sowie verminderte Beträge ab mehr als 120.000 Behandlungsfällen im Jahr 2018 vereinbart. In Abs. 3 der Präambel der Vereinbarung war ausgeführt, dass sich die Parteien einig seien, „dass unabhängig von der für das 2. Halbjahr 2017 und das Jahr 2018 vereinbarten Vergütung ab dem Jahr 2019 eine Neukalkulation der Vergütung der Hochschulambulanzen auf Basis der durch das GKV-VSG eingeführten und (durch) die Bundesschiedsstelle gemäß § 18a KHG (HSA-SV) und das Erweiterte Bundesschiedsamt (Vereinbarung nach § 117 Abs. 1 Satz 3 und 4 SGB V) konkretisierten Rechtsgrundlagen möglich bleiben soll, da eine neue Kalkulation im Sinne des § 120 Abs. 2 Satz 3 bis 5 SGB V noch nicht möglich war.“

Für den Vereinbarungszeitraum 2019/2020 scheiterten die Vergütungsverhandlungen der Beigeladenen mit den Klägerinnen. Die Beigeladene beantragte am 28.11.2019 bei der Beklagten die Festsetzung der zu vereinbarenden Vergütung nach § 120 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Sie legte eine Neukalkulation der Kosten ihrer Hochschulambulanzen vor, die auf der Basis der für das Jahr 2016 ermittelten Ist-Kosten erstellt worden sei. Beantragt wurde zunächst die Festsetzung von je 15 so genannten Standard- (für die „universitäre Grundversorgung“) und High-Care- (für die „universitäre Hochleistungsmedizin“) Pauschalen für die Leistungen der Hochschulambulanzen von 15 Fachabteilungen, außerdem für verschiedene Leistungen von sieben weiteren Kliniken und Instituten insgesamt zwölf so genannte Ambulanzpauschalen; alle diese Pauschalen waren je Fall und Quartal berechnet. Des Weiteren bea...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge