Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Leistungsklage bei Versagung der Leistungsgewährung wegen fehlender Mitwirkung. Ausnahme bei behaupteter anderweitiger Klärung der Leistungsvoraussetzungen. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hilfebedürftigkeit. keine Vorlage von Einkommensnachweisen bei Verdacht auf eheähnliche Gemeinschaft
Orientierungssatz
1. Hat ein Leistungsträger (hier Grundsicherungsicherungsträger) die begehrte Leistung gem § 66 Abs 1 SGB 1 vorläufig versagt, kann dieser Verwaltungsakt grundsätzlich nur mit der reinen Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 SGG angefochten werden. Streitgegenstand ist nicht der materielle Anspruch, sondern die Auseinandersetzung über Rechte und Pflichten im Verwaltungsverfahren (vgl BSG vom 17.2.2004 - B 1 KR 4/02 R = SozR 4-1200 § 66 Nr 1).
2. Zwar hat das BSG ausgeführt (BSG aaO), dass eine Leistungsklage zulässig ist, wenn eine anderweitige Klärung der Leistungsvoraussetzungen behauptet wird (oder zwischen den Beteiligten unstreitig ist). Zur Begründung hat es Gründe der Prozessökonomie angeführt. In dem Fall, in dem der Kläger das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen behauptet, diese aber - wie im vorliegenden Fall - streitig sind und zur Klärung des Vorliegens des materiellen Anspruchs Ermittlungen erforderlich sind, ist eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Streitgegenstand bei Versagung einer Leistung nach § 66 Abs 1 SGB 1 ausschließlich die Frage der Mitwirkung ist, nicht gerechtfertigt und lässt sich insbesondere auch nicht aus dem Grundsatz der Prozessökonomie herleiten (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 31.1.2008 - L 21 R 187/05).
Nachgehend
Tenor
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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 24.07.2007 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage bereits unzulässig war. |
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Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers. |
3. |
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Die Revision wird zugelassen. |
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 01.01.2006.
Der 1962 geborene Kläger beantragte am 10.11.2004 bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er gab an, er sei alleinstehend, habe von der Zeugin S L eine Wohnung gemietet und zahle hierfür eine Warmmiete in Höhe von 280,00 € (inklusive Nebenkosten und Strom) sowie Heizkosten in Höhe von 70,00 €. Die Gesamtgröße der Wohnung betrage 100 m² bei einem Wohnflächenanteil von 40 m². Ihm ständen ein Raum, ein Bad und eine Küche (in Mitbenutzung) zur Verfügung. S L wohnt unter der gleichen Anschrift. Die Beklagte gewährte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 01.01.2005 ohne Berücksichtigung von Einkommen der Zeugin L. Am 11.08.2005 wurde der Beklagten von der Verbandsgemeindeverwaltung R mitgeteilt, der Kläger habe bei einer persönlichen Vorsprache angegeben, die Zeugin S L sei seine Lebensgefährtin. Am 23.08.2005 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, eine eheähnliche Gemeinschaft bestehe nicht. Am 09.12.2005 stellte der Kläger einen Folgeantrag für den Bewilligungszeitraum ab dem 01.01.2006. Mit Schreiben vom 05.01.2006 forderte die Beklagte den Kläger unter Hinweis auf § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) auf, bis zum 22.01.2006 sämtliche Einkommens- und Vermögensnachweise der Zeugin L vorzulegen. Dieser Aufforderung kam der Kläger nicht nach. Mit Bescheid vom 26.01.2006 und Widerspruchsbescheid vom 20.03.2006 versagte die Beklagte die Gewährung von Leistungen ab dem 01.01.2006 mit der Begründung, der Kläger sei seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Die Anspruchsvoraussetzungen könnten daher nicht geprüft werden. Grundlage für die Entscheidung seien die §§ 60 und 66 SGB I.
Hiergegen hat der Kläger am 19.04.2006 Klage erhoben. Das Sozialgericht Koblenz hat S L in der mündlichen Verhandlung am 24.07.2007 als Zeugin vernommen und den Kläger persönlich angehört. Durch Urteil vom 24.07.2007 hat es den Bescheid vom 26.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.03.2006 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe nicht seine Mitwirkungspflichten verletzt. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Leistungen komme aber nicht in Betracht, da die anspruchsbegründende Voraussetzung der Hilfebedürftigkeit des Klägers nicht feststellbar sei. Zwischen dem Kläger und der Zeugin S L bestehe eine eheähnliche Gemeinschaft und damit eine Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 SGB II. Die Zeugin habe gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II ihr Einkommen und Vermögen einzusetzen. Da jedoch Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen fehlten, könne eine den Leistungsanspruch begründende Hilfebedürftigkeit des Klägers nicht festgestellt werden. Dies gehe zu seinen Lasten, so dass die Klage hinsichtlich des Verpflichtungsantrags abzuweisen gewesen sei.
Gegen das ihm am 17.10.2007 zugestel...