Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsverhältnis. Strafgefangener. Arbeitspflicht
Leitsatz (amtlich)
Die Beitragspflicht als Gefangener gemäß AFG § 168 Abs. 3 a kann jedenfalls dann keinen Anspruch eines türkischen Staatsangehörigen für seine in der Türkei lebenden Kinder begründen, wenn er zuvor nicht als Arbeitnehmer in der Bundesrepublik beschäftigt war.
Normenkette
Deutsch-türkisches Abkommen über soziale Sicherheit Art. 1 Nrn. 2, 9, Art. 2 Nr. 1d, Art. 33 Abs. 1 Fassung 1974-10-25; AFG § 138 Abs. 3a Fassung 1976-03-16; StVollzG § 39 Abs. 1, § 41 Abs. 1 Fassung 1976-03-16
Verfahrensgang
SG Koblenz (Urteil vom 22.10.1982; Aktenzeichen S 3 Kg 14/82) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 22. Oktober 1982 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Mit der Berufung begehrt der Kläger weiterhin Kindergeld (Kg) für seine in der Türkei lebenden Kinder.
Der 1950 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er ist verheiratet und hat sechs eheliche Kinder, von denen das älteste 1976, das jüngste 1981 geboren ist. Am 20. September 1980 kam er ohne seine Familie in die Bundesrepublik. Er befindet sich hier seit dem 1. Oktober 1980 in Haft. Am 25. Mai 1981 wurde er zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Das Urteil ist seit dem 2. Juni 1981 rechtskräftig.
Seit Juli 1981 ist der Kläger als Strafgefangener gemäß § 168 Abs. 3 a des Arbeitsforderungsgesetzes (AFG) beitragspflichtig zur Arbeitslosenversicherung.
Das für den damaligen Haftort Diez zuständige Arbeitsamt Montabaur lehnte den am 3. Januar 1982 gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung von Kg mit Bescheid vom 14. April 1982 und Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 1982 ab. Die entgeltliche Beschäftigung des Klägers während der Untersuchungs- und Strafhaft könne keinen Kg-Anspruch nach dem deutsch-türkischen Abkommen über soziale Sicherheit begründen, weil dem Kläger vor seiner Inhaftierung kein Kg zugestanden habe.
Mit der Klage hat der Kläger auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Behandlung Strafgefangener in der Arbeitslosenversicherung verwiesen und geltend gemacht, er sei der einzige Ernährer seiner siebenköpfigen Familie.
Das Sozialgericht Koblenz hat die Klage mit Urteil vom 22. Oktober 1982 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen dieses des Kläger am 2. November 1982 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung vom 29. November 1982. Er trägt ergänzend vor, das Abkommen gelte auch für der Beitragspflicht nach dem AFG unterliegende Gefangene. Diese Auffassung habe die Beklagte selbst in Schreiben vom 17. Juli 1978 und 26. Juni 1981 vertreten. Der durch das Abkommen garantierte Rechtsanspruch könne durch einen späteren Runderlaß der Beklagten nicht außer Kraft gesetzt werden.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Kindergeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide für zutreffend. Ergänzend tragt sie vor, dem Kläger stehe auch deshalb kein Kg zu, weil er bei entsprechender Anwendung der für Asylbewerber geltenden Grundsätze keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik habe.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozeßakten und die Verwaltungsakten des Arbeitsamtes Montabaur – Kg-Nr. … – Bezug genommen; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
1. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Dem Kläger steht das streitige Kg nicht zu. Das deutsch-türkische Abkommen über soziale Sicherheit vom 30. April 1964 (BGBl. 1965 II, Seite 1169 ff.) in der Fassung des Zwischenabkommens vom 25. Oktober 1974 (BGBl. 1975 II, Seite 364) bezieht sich nach seinen Artikel 2 Nr. 1 d nur auf das Kindergeld für türkische Arbeitnehmer in der Bundesrepublik. Die Begründung eines Kg-Anspruchs nach Artikel 33 Abs. 1 des Abkommens setzt deshalb in jedem Fall eine Beschäftigung des Antragstellers als Arbeitnehmer voraus. Wer, wie der Kläger, lediglich als Gefangener gemäß § 168 Abs. 3 a AFG beitragspflichtig ist, hat jedenfalls dann keinen Anspruch auf Kg für seine in der Türkei lebenden Kinder, wenn er einen solchen nicht zuvor durch eine Arbeitnehmertätigkeit in der Bundesrepublik begründet hat. Insoweit gibt der Runderlaß der Beklagten Nr. 68/82 vom 12. März 1982, auf den sich die angefochtenen Entscheidungen stützen, die Rechtslage zutreffend wieder. Im übrigen bedarf es keiner Entscheidung des Senats, ob Arbeitnehmertätigkeit vor der Inhaftierung einen Kg-Anspruch auch für die Haftzeit begründen kann.
2. Nach §§ 1, 2 Abs. 5 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) wird Kg grundsätzlich nur gewährt, wenn sowohl der Anspruchsberechtigte als auch die Kinder, für die der Anspruch geltend gemacht wird, ihren Wohnsitz oder gewöhnl...