Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindererziehungszeiten für Angehörige eines Mitglieds der NATO-Truppen
Orientierungssatz
1. Die Anwendung des § 2a Abs 1 AVG ist im Umkehrschluß zu § 2a Abs 5 S 3 nicht dadurch ausgeschlossen, weil sich die Versicherte als Angehörige eines Mitglieds der NATO-Truppen in der Bundesrepublik aufhält.
2. Rechtliche Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung, die außerhalb der Mitgliedschaft zu den Streitkräften begründet worden sind, dürften nicht deshalb beschnitten werden, weil es sich gleichzeitig um Mitglieder der Streitkräfte oder deren Angehörige handelt (vgl BSG vom 12.7.1988 - 4/11a REg 4/87 = SozR 6180 Art 13 Zusatzabkommen Nr 5).
Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 07.06.1990; Aktenzeichen S 8 A 203/89) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 7.6.1990 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer Kindererziehungszeit vom 1.1. bis zum 31.12.1988.
Die im … 1959 geborene Klägerin ist seit November 1979 mit einem Berufssoldaten der US-Army verheiratet. Von September 1975 bis Februar 1983 und von August 1985 bis November 1987 war sie in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt und leistete sie Beiträge zur Angestelltenversicherung. Dazwischen hielt sie sich von Juli 1983 bis Mai 1985 wegen einer Versetzung ihres Ehemannes in den USA auf. Im Dezember 1987 gebar sie in der Bundesrepublik eine Tochter.
Die im April 1989 beantragte Anerkennung einer Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung in der Angestelltenversicherung lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 27.4.1989/Widersrpuchsbescheid vom 25.7.1989 ab. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, habe der Familienangehörige eines Mitglieds der NATO-Truppen nach der Eheschließung das Bundesgebiet, in dem er sich vorher gewöhnlich aufgehalten hat, auf Dauer verlassen und kehre er später zusammen mit seinem als Mitglied der NATO-Truppe entsandten Ehegatten wieder in das Bundesgebiet zurück, könnten für die Zeit vom erneuten Zuzug an Kindererziehungszeiten nicht mehr berücksichtigt werden, weil der Familienangehörige aufgrund seiner Rechtsstellung nach dem NATO-Truppenstatut nicht mehr den deutschen Sozialversicherungsvorschriften unterliege. Die durch Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung entstehende Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung sei die einzige Ausnahme.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, daß sie sich mit Ihrem Ehemann nur vorübergehend in den USA aufgehalten habe. Aufgrund Ihrer vorher und nachher in der Bundesrepublik ausgeübten Beschäftigung habe sie Ihre eigene Rentenanwartschaft erworben. Es sei auch nicht ersichtlich, warum sie die ihr aus der Beitragspflicht erwachsenden Vorteile nicht genießen solle. Die Nichtgewährung der Kindererziehungszeit verstoße gegen Art. 3 und 6 Grundgesetz (GG).
Durch Urteil vom 7.6.1990 hat das Sozialgericht Speyer die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die strittige Zeit als Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung anzuerkennen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, infolge ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung habe die Klägerin eine eigene rechtliche Beziehung zur deutschen Sozialversicherung aufgebaut, in der sie keine Nachteile wegen ihrer Eigenschaft als Ehefrau eines US-Soldaten erleiden dürfe.
Gegen dieses ihr am 22.6.1990 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13.7.1990 Berufung eingelegt.
Sie trägt vor, die Klägerin mache Ansprüche geltend, die erst nach ihrer Heirat mit einem Mitglied der NATO-Truppen entstanden seien. Außerdem habe sie im Januar 1988 keine versicherungspflichtige Beschäftigung mehr ausgeübt. Ihre frühere Beziehung zur deutschen Sozialversicherung sei durch die Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet unterbrochen worden und habe nach der Rückkehr nicht weder aufleben können, weil nunmehr der Entsendestatuts ihres Ehemannes, in den sie als Angehörige einbezogen sei, im Vordergrund stehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 7.6.1990 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakten verwiesen, der Gegenstand der Beratung war.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Das erstinstanzliche Urteil ist – jedenfalls im Ergebnis – nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig.
Die Klägerin hat Anspruch auf Anerkennung der Zeit vom 1.1. bis zum 31.12.1988 als Zeit der Kindererziehung und Gutschri...