Verfahrensgang
SG Mainz (Urteil vom 31.05.1989; Aktenzeichen S 2 U 4/87) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 31.5.1989 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch in der Berufungsinstanz nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung durch das Sozialgericht, der Klägerin 44 % der aufgrund der Bescheide vom 2. und 3.10.1985 sowie vom 20.2.1986 geleisteten Aufwendungen für die Berufskrankheit Nr. 3102 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) des 1919 geborenen und am 10.11.1987 verstorbenen Metzgers M. P. (im nachfolgenden als der Versicherte bezeichnet) zu erstatten.
Die Klägerin war Beigeladene eines Vorprozesses, den der Versicherte geführt hat zur Anerkennung und Entschädigung der Berufskrankheit. Durch Urteil des Sozialgerichts München vom 21.10.1977 – S 22 U 822/74 – wurde die Klägerin verurteilt, dem Versicherten wegen der Berufskrankheit gesetzliche Leistungen zu gewähren. Der Eintritt des Versicherungsfalls wurde mit August 1970 festgelegt. Das Bayerische Landessozialgericht wies durch Urteil vom 23.11.1983 – L 2/8/U 6/78 – die Berufung der Klägerin zurück mit der Begründung: Die vermutliche Ansteckungszeit falle in den Zeitraum der versicherten Berufstätigkeit des Versicherten als Metzger bei einer maximalen Latenzzeit zwischen 17 bis 20 Jahren. Die Infektion des Versicherten sei vor dem Jahr 1950 erfolgt. In diesem Zeitraum sei der Versicherte vom 31.7.1934 bis 29.11.1937 als Metzgerlehrling sowie vom 15.3.1938 bis 31.5.1939 und vom 26.5. bis 30.6.1945 als Metzger tätig gewesen; nach seinem Kriegsdienst sei er in der Zeit vom 6.7.1945 bis 4.4.1951 wie schon von Mitte März 1938 bis Ende Mai 1939 – in den Hauptbahnhof-Gaststätten M. als Metzger beschäftigt gewesen. Da die vermutliche Ansteckungszeit in den Zeitraum der bei der Beigeladenen (jetzt Klägerin) versicherten Berufstätigkeit des Versicherten falle, sei sie der für die Entschädigung der Folgen der Berufskrankheit zuständige Unfallversicherungsträger.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin blieb gemäß dem Beschluß des BSG vom 30.8.1984 – 2 BU 39/84 – erfolglos.
Aufgrund der Urteile gewährte die Klägerin dem Versicherten mit Bescheid vom 2.10.1985 Rente nach einer MdE von 100 % ab 6.3.1972 und mit Bescheid vom 3.10.1985 Pflegegeld sowie mit den beiden Bescheiden vom 20.2.1986 Zinsen.
Die Ermittlungen der Klägerin ergaben (nach den Angaben des Versicherten sowie dem Versicherungsverlauf des Rentenversicherungsträgers), daß der Versicherte nach seiner Metzgerlehre von September 1934 bis Ende August 1937 und ca halbjähriger Tätigkeit im elterlichen Haushalt vom 15.3.1938 bis 31.5.1939 Metzgergeselle in der Hauptbahnhofsgaststätte M. war. Nach dem RAD-Dienst vom Juni bis September 1939 und anschließender Wehrmachtszeit in Schlächtereikompanien bis Anfang Mai 1945 arbeitete der Versicherte vom 26.5. bis 30.6.1945 in der Metzgerei H. in M. und anschließend vom 6.7.1945 bis 4.4.1951 wiederum in der Hauptbahnhofsgaststätte M.
Da die Beklagte der zuständige Versicherungsträger für das Unternehmen „Hauptbahnhofsgaststätte M.” ist, machte die Klägerin im September 1984 gegenüber der Beklagten Leistungsansprüche geltend. Nachdem die Beklagte eine Erstattung abgelehnt hatte, hat die Klägerin am 8.1.1987 Klage erhoben.
Durch Urteil vom 31.5.1989 hat das Sozialgericht Mainz die Beklagte zur anteilmäßigen Erstattung von 44 % der geleisteten Versichertenrente und von erbrachtem Pflegegeld sowie Zinszahlung verurteilt. Der Erstattungsanspruch folge aus analoger Anwendung des § 1739 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Der Anspruch sei weder durch die Ausschlußfrist des § 111 SGB X noch durch Verjährung nach § 113 SGB X ausgeschlossen, die rechtskräftige Verurteilung (nur) der Klägerin in dem Vorprozeß stehe der nunmehrigen Verurteilung der Beklagten ebenfalls nicht entgegen.
Gegen das ihr am 26.6.1989 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.7.1989 Berufung eingelegt.
Sie trägt vor: Die Klägerin habe keinen Erstattungsanspruch gegen sie. § 1739 RVO sei nicht anwendbar, da es sich im vorliegenden Fall eindeutig um zeitlich aufeinanderfolgende Tätigkeiten gehandelt habe, bei denen die fragliche Infektion erfolgt sein könne. Es gehe hier nicht vorrangig um die Frage der Lastenverteilung, sondern um die Feststellung des zuständigen Leistungsträgers. Insoweit enthalte das rechtskräftig gewordene Urteil des bayerischen LSG vom 23.11.1983 Bindungswirkung für die Parteien des damaligen Rechtsstreits. Die jetzige Klage sei deshalb unzulässig, denn sie sei eine Umgehung der rechtskräftigen Verurteilung. Zudem seien die Ansprüche der Klägerin verwirkt, weil sie nicht in dem Vorprozeß beigeladen worden sei. Die Klägerin habe ferner bereits seit dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. G. vom 25.11.1976 von dem Infektionszeitpunkt vor 1950 gewußt. Die Ausschlußfrist für Erstattungsansprüche habe am 21.10.1977 (Urteil des SG München) zu laufen begonne...