Entscheidungsstichwort (Thema)

Wegeunfall. haftungsausfüllende Kausalität. wesentliche Mitursache. Unfallfolge. depressive Anpassungsstörung. HWS-Distorsion. psychische Fehlverarbeitung. Prädisposition. Abgrenzung einer sensitiven Persönlichkeitsstruktur von einer Persönlichkeitsstörung. Selbstmord

 

Orientierungssatz

Zur Anerkennung einer im Nachhinein festgestellten depressiven Anpassungsstörung als Folge eines Arbeitsunfalles (hier: Auffahrunfall mit HWS-Distorsion), auch wenn prädisponierende und mit auslösende Faktoren im Sinne einer sensitiven Persönlichkeitsstruktur beim Versicherten vorlagen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 09.05.2006; Aktenzeichen B 2 U 40/05 R)

 

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung zur Gewährung von Entschädigungsleistungen anlässlich eines Arbeitsunfalls vom 4.12.1997.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte ist die Witwe des ... 1964 geborenen und ... 2000 verstorbenen bei der Beklagten gegen Unfall versicherten E L. Mit ihm hatte sie bis zu seinem Tod in einem gemeinsamen Haushalt gelebt.

Der Versicherte befand sich am 4.12.1997 als angeschnallter Pkw-Fahrer auf dem Weg von seiner Arbeitsstelle nach Hause. Wegen eines Staus auf der Autobahn hatte er sein ohne Kopfstützen ausgestattetes Lieferfahrzeug gerade zum Stehen gebracht, als der nachfolgende Fahrer auf das Heck seines Wagens auffuhr.

Am 7.12.1997 stellte sich der Versicherte beim Chirurgen/Unfallchirurgen Dr. W vor. Dieser diagnostizierte im Durchgangsarztbericht vom 9.12.1997 eine HWS-Distorsion.

Wegen zunehmender Kopfschmerzen und zusätzlich auftretender Nacken- und Bewegungsschmerzen befand sich der Kläger in der Folgezeit in konservativer therapeutischer Behandlung.

Arbeitsfähigkeit trat zunächst am 24.1.1998 wieder ein.

Wegen starker ausstrahlender Kopfschmerzen wurde der Versicherte vom 2.7.1998 bis zum 30.7.1998 stationär in der Neurologischen Klinik M behandelt. Dort wurde ein seit März des Jahres bestehender therapieresistenter zervikogener Kopfschmerz und ein Zustand nach Schleudertrauma der Halswirbelsäule diagnostiziert. Kernspintomografisch zeigten sich in Höhe des lateralen Dens axis ein streifiges Restödem und leichte Blutungsreste im Ligamentum transversum des Atlas (Aufnahmen vom Juli 1998).

Ab dem Tag der Aufnahme in die Klinik war der Versicherte arbeitsunfähig.

In einem Gutachten vom September 1998 wertete der Unfallchirurg/Radiologe Dr. N ein von ihm veranlasstes MRT des Radiologen Dr. Z vom September 1998 aus. Dort war eine Streckfehlhaltung und eine diskrete Asymmetrie zwischen dem Dens axis und dem Atlas mit Dehnung der linksseitigen dentalen Bandstrukturen beschrieben worden; ein Hämatom hat nicht mehr festgestellt werden können. Dr. N sah einen Zusammenhang zwischen der Steilhaltung bzw der Inkongruenz der Gelenke im Verbindungsbereich zwischen der Densspitze und dem vorderen Ring des ersten Halswirbels mit dem Unfallereignis als wenig wahrscheinlich an. Er äußerte Zweifel daran, dass der Versicherte durch den Heckaufprall überhaupt verletzt worden sei. Denn es habe allenfalls nur eine ganz leichte und erstgradige Verdrehung der Halswirbelsäule stattgefunden. Hierfür spreche auch die langzeitige weitgehende Beschwerdefreiheit und Leistungsfähigkeit nach dem Unfall sowie die recht spät einsetzende Beeinträchtigung ausschließlich durch Kopfschmerzen.

In einem Gutachten des Neurologen/Psychologen Dr. F vom September 1998 ist ausgeführt, dass beim Patienten eine leichte Druckdolenz der occipitalen Nerven bestehe, so dass ggf die oberen cervikalen Segmente irritiert sein könnten. In der elektrophysiologischen Untersuchung fand sich eine beidseitige Normabweichung bezüglich des Medianus - SEP als Ausdruck einer afferenten Störung. Der Gutachter hielt es jedoch für unwahrscheinlich, dass nach einer halbjährigen Latenz wieder traumaabhängige Störungen aufgetreten seien. Letztlich sei von unfallchirurgischer Seite zu prüfen, ob Forameneinengungen oder Stenosierungen vorlägen, die den Befund erklären könnten.

Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. S sah die Verletzungen in seiner Stellungnahme vom Oktober 1998 mit Ablauf des 26.1.1998 als folgenlos ausgeheilt an.

Nach einem Bericht aus der Neurochirurgischen/Neurotraumatologischen Abteilung der BG-Unfallklinik F (Prof. Dr. M/OA S) vom November 1998 aufgrund eines stationären Aufenthalts des Versicherten vom 7.9.1998 bis zum 28.9.1998 wurde dieser nach dem Ende des Klinikaufenthalts als arbeitsfähig entlassen.

Die Beklagte stellte daraufhin die Verletztengeldzahlungen am 28.9.1998 ein.

Der Versicherte stellte sich im Oktober 1998 Dr. W (Lehrbeauftragter für Manuelle Medizin, Universitätskliniken des Saarlandes) vor, der ein unfallabhängiges posttraumatisches Cervikalsyndrom mit rezidivierenden enzephalen Störungen diagnostizierte (Arztbrief vom November 1998). Wegen Hörstörungen, Tinnitus und Schwindel stand er außerdem bei der HNO-Ärztin/Allergologin Dipl.-med Dr. F in Behandlung (Bescheinigung vom Oktober 1998).

Mit Bescheid vom 26.5.1999 lehnte die ...

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