Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. unterbrochene Krankenhausbehandlung. Abrechnungszeitraum ab 1.1.2019. Unanwendbarkeit der Rechtsfigur des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens. kein Rückgriff auf die Beurlaubungsregelung des § 1 Abs 7 S 5 Fallpauschalenvereinbarung (juris: FPVBG 2019) zur Zusammenführung zu einem Abrechnungsfall
Orientierungssatz
1. Der Auslegung, gemäß welcher ein Krankenhaus einen Versicherten bei der Behandlung in zwei Krankenhausaufenthalten unwirtschaftlich behandelt und daher nur Anspruch auf diejenige Vergütung habe, die bei fiktivem wirtschaftlichen Alternativverhalten angefallen wäre, nämlich bei einer Behandlung des Versicherten in einem einzigen, durch Beurlaubung lediglich unterbrochenen Krankenhausaufenthalt, hat der Gesetzgeber für den Abrechnungszeitraum ab 1.1.2019 aufgrund der Änderung des § 8 Abs 5 S 3 KHEntgG durch das "Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal-Stärkungsgesetz - PpSG)" vom 11.12.2018 (BGBl I 2018, 2394) den Boden entzogen.
2. Das Ziel dieser Neuregelung durch den Gesetzgeber würde unterlaufen, wenn weiterhin unter Rückgriff auf die Beurlaubungsregelung in § 1 Abs 7 S 5 Fallpauschalenvereinbarung mehrere selbständige Krankenhausaufenthalte zu einem Abrechnungsfall zusammengefasst würden, auch wenn dies nicht vertraglich oder gesetzlich bestimmt ist.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 23.09.2021 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.009,27 € festgesetzt
Tatbestand
Streitig ist eine restliche Krankenhausvergütung in Höhe von 2.009,27 € nebst Zinsen.
Der bei der Beklagten krankenversicherte, 1939 geborene H S (im Folgenden: Versicherter) wurde im H -J -Krankenhaus D , dessen Rechtsträgerin die Klägerin ist, vom 09.10.2019 bis 18.10.2019 vollstationär wegen anhaltender Durchfälle behandelt; es wurden ein teilstenosierendes Rektumkarzinom mit Metastasen u.a. der Leber und weitere Erkrankungen diagnostiziert. Gemäß dem Votum der interdisziplinären Tumorkonferenz wurde eine primäre operative Rektumresektion mit intraoperativer Abklärung der Leberläsionen beschlossen; als Operationstermin wurde der 24.10.2019 vorgesehen. Unter Zugrundelegung der Fallpauschale DRG (Diagnosis Related Group) G60B (Bösartige Neubildung der Verdauungsorgane, ein Belegungstag oder ohne äußerst schwere CC, ohne bestimmte hochaufwändige Behandlung) berechnete das Krankenhaus ein Entgelt in Höhe von insgesamt 1.909,27 €, welches die Beklagte beglich. Der Versicherte wurde am 23.10.2019 erneut im Krankenhaus der Klägerin aufgenommen, im Rahmen einer Operation am 24.10.2019 wurde festgestellt, dass das Karzinom nicht operabel war, und der Versicherte wurde am 05.11.2019 in die hausärztliche Behandlung entlassen. Mit Rechnung vom 11.11.2019 stellte die Klägerin der Beklagten unter Zugrundelegung der DRG G18C (Bestimmte Eingriffe an Dünn- und Dickdarm, ohne hochkomplexen oder sehr komplexen Eingriff, ohne aufwändigen Eingriff oder ohne äußerst schwere CC, ohne komplizierende Diagnose, mit komplexen Eingriff) insgesamt 8.489,36 € in Rechnung. Die Beklagte beglich diese Rechnung nicht und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Durchführung der Prüfung nach § 275 Abs. 1c Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Der Arzt im MDK Dr. H bestätigte in seinem Gutachten vom 31.08.2020 die vom Krankenhaus angesetzte Fallpauschale, führte jedoch aus, es handele sich um die Fortsetzung der im Rahmen des ersten Krankenhausaufenthaltes noch nicht abgeschlossenen Behandlung, die Wiederaufnahme zur Operation sei bereits im Voraufenthalt geplant gewesen. Die Beklagte machte daraufhin gegenüber der Klägerin geltend, es liege eine typische Beurlaubung vor und die Fälle seien zusammenzuführen.
Die Klägerin hat am 18.02.2021 Zahlungsklage in Höhe von 8.489,36 € nebst Zinsen zum Sozialgericht Koblenz (SG) erhoben und geltend gemacht, auch wenn die Behandlung im Rahmen des ersten Krankenhausaufenthaltes noch nicht abgeschlossen gewesen sei, reiche ein einfacher Zusammenhang zwischen den Fällen nicht aus, um sie zusammen zu vergüten. Dies gelte insbesondere nach Maßgabe der zum 01.01.2019 neu eingeführten Vorschrift des § 8 Abs. 5 Satz 3 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG). Hiernach seien Fallzusammenführungen nur dann vorzunehmen, wenn die Vorgaben der Fallpauschalenvereinbarung erfüllt seien, nicht jedoch aus fiktivem wirtschaftlichen Alternativverhalten, auf welches die Beklagte hier offensichtlich abstelle. Die für den ersten Krankenhausaufenthalt maßgebliche DRG G60B enthalte den Zusatz, dass eine Zusammenfassung von Fällen bei Wiederaufnahme in dasselbe Krankenhaus nach § 2 Abs. 1 und 2 Fallpauschalenvereinbarung 2019 (FPV) nicht erfolge. Die von der Beklagten zugrunde geleg...