Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Versorgungsbezüge. keine Beitragspflicht eines Überbrückungsgeldes mit Abfindungscharakter
Orientierungssatz
Ein Überbrückungsgeld, das Abfindungscharakter hat, ist bei der Bemessung der Pflichtversicherungsbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu berücksichtigen.
Normenkette
SGB V § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, § 226 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 27.1.2014 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist, ob die Beklagte das vom Kläger von seiner früheren Arbeitgeberin bezogene Überbrückungsgeld zu Recht bei der Bemessung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung vom 1.1.2011 bis zum 30.9.2013 berücksichtigt hat.
Der 1953 geborene Kläger war bis zum 30.4.2010 bei der Firma I Deutschland GmbH beschäftigt. Nach seinem Ausscheiden erhielt er für die Zeit von Mai 2010 bis Juni 2013 ein Überbrückungsgeld in Höhe von monatlich 1.411,-- € und von Juli bis September 2013 in Höhe von 1.490,02 €. Grundlage hierfür war eine am 30.3.2010 mit der früheren Beschäftigungsfirma getroffene einzelvertragliche Aufhebungsvereinbarung. Darin heißt es ua:
“1. Das … Arbeitsverhältnis wird einvernehmlich mit Wirkung zum 30.4.2010 (Beendigungszeitpunkt) beendet.
2. Herr K erhält für den Verlust des Arbeitsplatzes in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz eine Abfindung in Höhe von Euro 97.000,--….
3. Herr K erhält hiermit auf Grundlage der derzeit vorliegenden Daten die Zusage zur Zahlung eines monatlichen Überbrückungsgeldes bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres in Höhe von 1.411 Euro nach den Bestimmungen der Konzernvereinbarung zur Regelung von Überbrückungsgeld. … Das Überbrückungsgeld wird Herrn K ab dem Folgemonat nach dem Beendigungszeitpunkt gewährt.
…
In der zwischen der Firma I und dem Konzernbetriebsrat geschlossenen Konzernbetriebsvereinbarung zur Regelung des Überbrückungsgeldes vom 2.12.2009 heißt es ua:
Präambel
Geschäftsführung und Konzernbetriebsrat sehen Handlungsbedarf für eine Neuregelung der Überbrückungsleistungen zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr. Diese Neuregelung wurde erforderlich, da es aus steuer- und arbeitsrechtlichen … Gründen nicht mehr zulässig ist, Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung vor Vollendung des 60. Lebensjahres zu gewähren.
…
Art 2 Antragsvoraussetzungen und Höhe des Überbrückungsgeldes
§ 1 Antragsvoraussetzungen
Mitarbeiter können einen Antrag auf Überbrückungsgeld stellen, wenn sie nach mindestens 10 I -Dienstjahren und nach Vollendung des 50. Lebensjahres, jedoch vor Vollendung des 60. Lebensjahres ihr Arbeitsverhältnis mit der I beenden und vorzeitig in den Ruhestand treten. Die Gewährung des Überbrückungsgeldes unterliegt dem Zustimmungsvorbehalt der I , ein Rechtsanspruch auf das Überbrückungsgeld besteht somit nicht.
§ 2 Höhe des Überbrückungsgeldes
(1) Das monatliche Überbrückungsgeld wird in Höhe der zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß Artikel 2 § 2 Absatz 1 I -Vorsorge-Plan berechneten dynamisierten erdienten Altersrente errechnet …
…
Art 4: Betriebliche Altersversorgung
Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Mitarbeiters werden die Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gemäß Artikel 9 I Vorsorge-Plan aufrechterhalten. …
Der Kläger, bei dem die zuständige Agentur für Arbeit für die Zeit vom 1.5.2010 bis zum 23.10.2010 eine Sperrzeit feststellte, war in dieser Zeit bei der Beklagten freiwillig versichert. Danach war er bis zum 31.12.2010 aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld pflichtversichert. Vom 1.1.2011 bis zum 21.12.2012 war er aufgrund einer Tätigkeit als angestellter Kundenberater bei der Beklagten pflichtversichert. Seit dem 22.12.2012 war er wieder aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld pflichtversichert. Mit Bescheiden vom 26.10.2010 hatte die Beklagte festgestellt, dass das Überbrückungsgeld als Versorgungsbezug in der Zeit ab dem 1.6.2010 in voller Höhe beitragspflichtig sei, ggf begrenzt durch die Beitragsbemessungsgrenze.
Mit Bescheid vom 21.2.2011 setzte die Beklagte die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1.1.2011 fest. Sie zog den Versorgungsbezug in voller Höhe von 1.411,-- € monatlich mit einem Beitragssatz von 15,5 % zur Beitragsbemessung heran und verlangte vom Kläger einen monatlichen Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung von insgesamt 218,71 €.
Zur Begründung seines hiergegen eingelegten Widerspruchs machte der Kläger geltend: Bei dem Überbrückungsgeld handele es sich nicht um einen Versorgungsbezug, sondern um einen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes. Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Firma I im Juni 2011 mit, der Kläger erhalte seit dem 1.5.2010 als “interne Betriebsrente„ das Überbrückungsgeld; dieses...