Leitsatz (amtlich)
Ein privates Musikstudium ist auch dann keine Ausfallzeit, wenn der Versicherte - bedingt durch die Verhältnisse nach dem Kriege - keine andere Möglichkeit zum Studium - etwa an einem staatlichen oder staatlich anerkannten Konservatorium - hatte.
Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 27.06.1975; Aktenzeichen S 14 A 69/74) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer, Zweigstelle Mainz, vom 27. Juni 1975 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung eines privaten Musikunterrichts als Ausfallzeit.
Der am … 1926 geborene Kläger ist Musiker. Er war seit November 1951 im Orchester des Städtischen Theaters in M. als Kontrabassist beschäftigt. Zur Zeit ist er Musiklehrer am Gymnasium in I..
Im Juni 1972 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm die Kriegsdienstzeit als Ersatzzeit und seine Musikerausbildung als Ausfallzeit anzuerkennen und vorzumerken. Zur Berufsausbildung gab er an: Er habe von Oktober 1945 bis März 1951 bei dem – inzwischen verstorbenen – Professor M. in F. privat Musik studiert. Die Staatliche Musikhochschule in F. habe damals ihren Betrieb nach dem Kriege noch nicht wieder aufgenommen gehabt. Ein Abschlußexamen habe er nicht abgelegt.
Durch Bescheid vom 26. September 1973 hat die Beklagte den Kriegsdienst des Klägers als Ersatzzeit anerkannt; die Anerkennung der Musikerausbildung hat sie dagegen abgelehnt, weil diese Ausbildung nach den eigenen Angaben des Klägers nicht durch eine Prüfung abgeschlossen worden sei, so daß sie nicht als Ausfallzeit in Betracht komme. Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, eine Abschlußprüfung sei im Künstlerberuf nicht zwingend vorgeschrieben, er sei beim Städtischen Theater in M. aufgrund eines Probespiels eingestellt worden, das einer Prüfung gleichzusetzen sei. Durch Widerspruchsbescheid vom 25. März 1974 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, es fehle hier an der gesetzlichen Voraussetzung für eine Anerkennung der Ausbildung des Klägers als Ausfallzeit, weil die Ausbildung nicht an einer Fachschule mit der üblichen Organisationsform einer Schule durchgeführt worden sei.
Mit der am 29. April 1974 zum Sozialgericht Speyer, Zweigstelle Mainz, erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht: Im Zeitpunkt des Studienbeginns habe in F. keinerlei Möglichkeit bestanden, an einer öffentlichen Lehranstalt Musik zu studieren. Das H. Konservatorium, an dem Professor M. Dozent gewesen sei, habe seinen Betrieb erst etwa 1950 wieder aufgenommen. Professor M. sei damals schon im Pensionsalter gewesen und habe deshalb seine frühere Tätigkeit als Dozent für Kontrabaß an diesem Konservatorium nicht fortgesetzt. Professor M. habe zudem die französische Bogenführung gelehrt, während das Konservatorium nach dem Kriege die deutsche Bogenführung vermittelt habe. Zwischen beiden Spielarten bestehe ein wesentlicher Unterschied. Deshalb sei es für ihn damals nicht in Betracht gekommen, das Studium am Konservatorium aufzunehmen, weil er sonst von vorne hätte anfangen müssen. Seine Ausbildung habe bei Professor M. täglich sechs bis sieben Stunden in Anspruch genommen. Nur durch dieses intensive Studium sei es ihm möglich gewesen, sich für die öffentlich ausgeschriebene Stelle als Kontrabassist am M. Theater zu bewerben, das Probespiel vor dem damaligen Generalmusikdirektor Professor Z. zu bestehen und nach einem erfolgreichen Probejahr die Stelle endgültig zu bekommen. Sein privates Musikstudium sei also die notwendige Voraussetzung für seine berufliche Tätigkeit als Musiker gewesen. Deshalb müsse diese Zeit als Ausfallzeit anerkannt werden.
Durch Urteil vom 27. Juni 1975 hat das Sozialgericht Speyer, Zweigstelle Mainz, die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es dazu im wesentlichen ausgeführt: Das private Musikstudium des Klägers zähle zu keiner der in § 36 Abs. 1 Nr. 4 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) aufgezählten Ausbildungsarten. Der Gesetzgeber habe bewußt nur die abgeschlossene Lehrzeit, eine weitere Schulausbildung und eine abgeschlossene Fachschul- oder Hochschulausbildung als Ausfallzeiten zugelassen. Es sollten nur solche Ausbildungen als Ausfallzeit in Betracht kommen, die für die Versicherungsträger als geordnete Ausbildungszeiten nachprüfbar und nachvollziehbar seien. Eine Gewähr dafür sei nur mit den vom Gesetzgeber aufgezählten Ausbildungsformen gegeben. Somit müsse eine private Ausbildung wie beim Kläger als Ausfallzeit ausscheiden.
Das Urteil ist dem Kläger am 24. Juli 1975 zugestellt worden. Am 25. August 1975, einem Montag, hat der Kläger die Berufung eingelegt. Er wiederholt im wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen und führt noch zusätzlich aus: Daß der Gesetzgeber eine private Ausbildung nicht als Ausfallzeit anerkannt habe, sei nicht zu re...