Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. gesamtschuldnerische Beitragshaftung eines ausgeschiedenen Gesellschafters gem § 150 Abs 4 SGB 7. keine Sperrwirkung gem § 93 InsO
Orientierungssatz
Die gesamtschuldnerische Beitragshaftung eines früheren Unternehmers bzw Mitgesellschafters einer OHG für Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung für die Zeit nach seinem Ausscheiden gem §§ 150 Abs 4 iVm 192 Abs 4 SGB 7 wird nicht von der Sperrwirkung des § 93 InsO erfasst, da § 93 InsO nur den Bereich der gesetzlich akzessorischen Haftung des Gesellschafters für gegen die Gesellschaft gerichtete Ansprüche betrifft.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger als früherer Unternehmer zur Zahlung von Beiträgen zur Gesetzlichen Unfallversicherung für die Zeit nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen verpflichtet ist.
Der Kläger war neben seinen Söhnen W und A B Gesellschafter der B und S OHG in V (im folgenden: Gesellschaft). Ausweislich des Eintrags im Handelsregister vom 04.01.2001 ist der Kläger aus der Gesellschaft ausgeschieden, seinen eigenen Angaben zufolge zum 31.12.2000.
Mit Datum vom 23.04.2002 erließ die Beklagte gegen die Gesellschaft den Beitragsbescheid für 2001, auf den keine Zahlungen geleistet wurden. Das Amtsgericht Idar-Oberstein ordnete durch Beschluss vom 24.06.2002 die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Gesellschaft an und bestellte Rechtsanwalt K in I zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Dieser teilte der Beklagten mit Schreiben vom 02.07.2002 den Beschluss und seine Bestellung mit. Mit Beschluss vom 16.08.2002 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt K zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Beklagte meldete Forderungen für die Zeit vom 01.01.2001 bis 15.08.2002 in Höhe von 14.997,90 € für Beiträge und 754,50 € Säumniszuschläge, zusammen 15.752,40 € im Insolvenzverfahren an.
Mit Bescheid vom 06.12.2002 forderte sie den Kläger zur Begleichung der Gesamtforderung auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger bzw. sein Nachfolger im Unternehmen sei seiner Pflicht zur Meldung des Ausscheidens des Klägers als Unternehmer nach § 192 Abs. 4 SGB VII nicht nachgekommen. Ihr sei der Unternehmerwechsel erst am 29.08.2002 nach Erhalt eines Handelsregisterauszugs bekannt geworden. Der Kläger hafte daher gem. § 150 Abs. 4 SGB VII für die Beiträge und die damit zusammenhängenden Leistungen bis Ende 2002.
Der Widerspruch des Klägers gegen den Haftungsbescheid wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2003 aus den Gründen des Ausgangsbescheids zurückgewiesen.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Mainz (SG) hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte sei Anfang des Jahres 2001 telefonisch über sein Ausscheiden aus dem Unternehmen informiert worden. Er hafte daher allenfalls für die Beiträge des Jahres 2001. Der Kläger gab bei seiner Vernehmung durch das SG an, Ende des Jahres 2000 oder Anfang 2001 sei ein Mitarbeiter der Beklagten in den Betrieb gekommen, um die Betriebsangehörigen zu untersuchen. Diesem habe er mitgeteilt, bei ihm sei eine Untersuchung überflüssig, weil er aus dem Unternehmen ausscheiden werde. Der vom SG als Zeuge vernommene Gesellschafter A B gab an, ein Telefongespräch mit der Beklagten wegen Weiterbeschäftigung des Klägers in geringfügiger Beschäftigung geführt zu haben, konnte aber nicht bestätigen, dass er der Beklagten das Ausscheiden des Klägers als Unternehmer mitgeteilt hatte. Ende 2000 sei außerdem ein Faxschreiben an Geschäftspartner geschickt worden, im dem auf das Ausscheiden des Klägers hingewiesen worden sei. Dieses Schreiben müsse auch an die Beklagte gegangen sein, dies könne aber nicht mehr belegt werden.
Durch Urteil vom 27.01.2006 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 06.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.04.2003 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen einer Haftung des Klägers als ausgeschiedener Unternehmer nach § 150 Abs. 4 SGB VII lägen vor. Die Beklagte sei aber durch § 93 der Insolvenzordnung - InsO - für die Dauer des Insolvenzverfahrens am Erlass eines Bescheids über diese Forderung gehindert, da sie nur vom Insolvenzverwalter wirksam geltend gemacht werden könne. Entgegen der Ansicht der Beklagten handele es sich bei dem Erlass eines Verwaltungsakts (VA) über die Forderung um eine Geltendmachung im Sinne von § 93 InsO. Er sei auf Feststellung des Bestehens des Anspruchs und auf Erlangung eines bestandskräftigen vollstreckbaren Titels bei Unterbrechung der Verjährung gerichtet und mit der prozessualen Durchsetzung des Anspruchs vergleichbar. Die Sperrwirkung des § 93 InsO erfasse auch die Geltendmachung öffentlichrechtlicher Abgabeforderungen. Öffentlich-rechtliche Gläubiger sollten nicht dadurch gegenüber Privatpersonen privilegiert werden, dass sie sich ihre Forderungen unabhängig vom Insolvenzverwalter durch Erlass eines VA titulieren könnten. § 150 Abs. 4 SGB VII sei keine eigenständige Haftu...