Leitsatz (amtlich)
Ein Student, der als Mitversicherter eines Mitglieds der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten Versicherungsschutz genießt, ist weder kraft Gesetzes von der sozialen Krankenversicherung befreit, noch kann er von ihr auf Antrag befreit werden.
Verfahrensgang
SG Koblenz (Urteil vom 18.02.1976; Aktenzeichen S 2 K 57/75) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 18. Februar 1976 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist als Student ab 1. Oktober 1975 Pflichtmitglied der Beklagten. Nachdem er am 29. August 1975 mündlich ohne Erfolg die Befreiung von der Versicherungspflicht beantragt und den Versicherungsbeitrag für das Wintersemester 1975/76 bezahlt hatte, wandte er sich mit seinem Widerspruch vom 1. September 1975 erneut gegen seine Einbeziehung in die neugeschaffene studentische Krankenversicherung. Er macht geltend, über seinen Vater gegenüber der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB) im Rahmen der Familienhilfe Anspruch auf Versicherungsleistungen zu haben, die – vom Krankengeld abgesehen – den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprächen. Unter Hinweis auf eine dahingehende Vereinbarung der Spitzenverbände der Krankenversicherungsträger zur Auslegung des § 173 d der Reichsversicherungsordnung (RVO) verneinte die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 1975 die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Krankenversicherung der Studenten, weil der Kläger lediglich als Mitversicherter eines Mitglieds der KVB Versicherungsschutz genieße.
Mit seiner am 16. Oktober 1975 beim Sozialgericht (SG) Koblenz erhobenen Klage hat der Kläger sein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 165 Abs. 1 Nr. 5 RVO weiterverfolgt. Er hat vorgetragen, die Beklagte habe aus den gesetzlichen Bestimmungen unrichtige Schlußfolgerungen gezogen; im übrigen erhalte sein Vater als Bundesbahnbeamter eine Beihilfe, die eine eventuelle Differenz zwischen den Leistungen der bestehenden Krankenversorgung und der Pflicht Versicherung ausgleiche.
Die Beklagte hat ausgeführt: Die KVB sei zwar eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, habe jedoch den Charakter einer Privatversicherung. Da sie für Familienangehörige keinen am Risiko orientierten Beitrag erhebe, fehle eine wesentliche Voraussetzung für die Befreiung nach § 173 d RVO. Die Vorschrift des § 175 Nr. 3 RVO sei nicht anwendbar, da sie lediglich den Anspruch auf Familienkrankenpflege im Sinne des Sozialversicherungsrechts betreffe. Es widerspräche zumindest der bisherigen Rechtspraxis anzunehmen, ein Anspruch auf Familienkrankenversorgung gegenüber einer nicht gesetzlichen Krankenversicherung könne die gesetzliche Versicherungspflicht verdrängen.
Durch Urteil vom 18. Februar 1976 hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Oktober 1975 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger von der Versicherungspflicht zu befreien. Es hat die Auffassung vertreten: Die Vorschrift des § 173 d RVO lasse inhaltlich zwar nicht die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht zu. Es sei jedoch zu berücksichtigen, daß Studenten mit Anspruch auf Familienkrankenpflege nach § 175 Nr. 3 RVO von der Versicherungspflicht befreit seien. Im Hinblick auf die gleiche Interessenlage bei Abschluß eines privaten Versicherungsvertrages und dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers, die Pflichtversicherung der Studenten nur insoweit zu begründen, als kein, hinreichender Versicherungsschutz nachgewiesen werden könne, sei auch im Falle des Klägers die Befreiungsmöglichkeit zu bejahen.
Gegen dieses ihr am 26. Februar 1976 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Eingang beim Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz in Mainz am 23. März 1976 Berufung eingelegt.
Sie trägt vor:
Nur um die Befreiung nach § 173 d RVO, die auch das Sozialgericht nicht für möglich gehalten habe, gehe es im vorliegenden Rechtsstreit. Für die Feststellung der Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes gemäß § 175 Nr. 3 RVO sei kein Raum.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Koblenz vom 18. Februar 1976 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Ergänzend weist er darauf hin, für den Unterhaltsverpflichteten bedeute es eine unnötige zusätzliche Belastung, wolle man in Fällen der vorliegenden Art die Befreiungsmöglichkeit verneinen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Beklagtenakten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach §§ 143 ff. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und nicht ausnahmsweise ausgeschlossen. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG).
Die Berufung ist auch begründet. Das erstinstanzliche...