Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Ausschluss von Begleitpersonen im Rahmen einer Begutachtung. ungewöhnliche Leistungseinschränkungen

 

Orientierungssatz

1. Ein Gutachter kann der Anwesenheit einer vom Probanden gewünschten Vertrauensperson widersprechen, wenn er einen plausiblen Grund hierfür anführt. Ein solcher kann zumal bei psychiatrischen Gutachten die Notwendigkeit sein, die Anamnese und die Untersuchung unbeeinflusst durch Dritte zu erheben. Gerade bei Begutachtungen auf diesem Fachgebiet können folglich im Einzelfall Gründe gegen die Anwesenheit einer Begleitperson sprechen, die einen Ausschluss rechtfertigen (vgl LSG Mainz vom 20.7.2006 - L 5 KR 39/05).

2. Weder das Erfordernis des überwiegenden Sitzens noch die Vermeidung von Zeitdruck noch die Gewährleistung der Nichterreichbarkeit von Alkohol stellen ungewöhnliche Leistungseinschränkungen dar.

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 09.04.2019 wird zurückgewiesen.

1.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI).

Der 1959 geborene Kläger absolvierte von 1974 bis 1977 eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker. Im erlernten Beruf arbeitete er etwa zwei Jahre, verpflichtete sich dann zunächst im Jahr 1979 als Zeitsoldat bei der Bundeswehr, schied jedoch 1980 aus, um den elterlichen Betrieb für etwa ein Jahr weiterzuführen. Nach einer nochmaligen kurzzeitigen Tätigkeit als Kfz-Mechaniker nahm er aus finanziellen Gründen im Januar 1981 eine Tätigkeit als ungelernter Produktionsarbeiter in der Keramikindustrie im Drei-Schicht-Dienst auf und übte diese bis zu seiner dauerhaften Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2015 aus. Nach der Aussteuerung aus dem Leistungsbezug der Krankenkasse bezog der Kläger Alg I.

Im August 2016 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Rentenantrag. Zur Akte gelangten medizinische Unterlagen, unter anderem ein Entlassungsbericht der M-Klinik vom 14.10.2015 über einen stationären Aufenthalt vom 09.09.2015 bis zum 07.10.2015. Darin wurden folgende Diagnosen genannt: „Funktionseinschränkung HWS und Arme nach zervikaler BSV OP, zervikaler Bandscheibenschaden mit Radikulopathie, Zervicobrachial-Syndrom , zervikozephales   Syndrom, psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Abhängigkeitssyndrom“. Im Bericht heißt es, dass im zuletzt verrichteten Beruf ein unter dreistündiges Leistungsvermögen bestehe, außerdem, dass im sozialmedizinischen Bereich eine Diskrepanz zwischen der ärztlichen Beurteilung und der Selbsteinschätzung des Versicherten bestehe.

Die Beklagte holte einen Befundbericht des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. K vom 09.05.2016 ein und zog außerdem ein Gutachten für die Agentur für Arbeit M. vom 27.07.2016 von Dr. B bei. Dieser ging im Gutachten vom 27.07.2016 von einer vorübergehenden Aufhebung der Belastbarkeit für den allgemeinen Arbeitsmarkt für mehr als sechs Monate aus, adäquate Behandlungsmaßnahmen ergäben sich im kassenärztlich-ambulanten Bereich.

Anschließend veranlasste die Beklagte die Erstellung eines Gutachtens durch den Facharzt für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. D vom 20.10.2016. Der Sachverständige stellte folgende Diagnosen:

1. Wirbelsäulensyndrom bei Fehlhaltung, aktuell kein Nervenwurzelreiz - März 2015 operierter Bandscheibenschaden der unteren Halswirbelsäule, noch eingeschränkte Kopfbeweglichkeit

2. Bluthochdruck

3. Schädlicher Konsum von Alkohol

- Polyneuropathie

- Leberschaden

4. Chronisch obstruktive Lungenerkrankung

- fortgesetztes langjähriges Rauchen

5. Hirnblutung 2003 bei Hirngefäßmissbildung, keine wesentlichen neurologischen Beeinträchtigungen verblieben

Der Sachverständige teilte mit, der Kläger könne seine Tätigkeit in der Keramikindustrie nur noch weniger als drei Stunden täglich verrichten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien ihm körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten zu ebener Erde, in Tagesschicht, ohne vermehrte Stressbelastung sechs Stunden und mehr täglich zumutbar.

Mit Bescheid vom 04.11.2016 lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab.

Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger ein Attest seines Hausarztes Dr. Ko vom 13.12.2016 vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2016 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 17.05.2017 bei dem Sozialgericht (SG) Koblenz Klage erhoben.

Das SG hat von Amts wegen ein Gutachten bei dem Neurologen und Psychiater Dr. K, Mo, in Auftrag gegeben.

Der Kläger hat im Anschluss an den Untersuchungstermin einen Befangenheitsantrag gegen den Gutachter mit der Begründung gestellt, der Sachverständige habe die Teilnahme einer Begleitperson bei der Untersuchung ohne Nennung medizinischer Gründe a...

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