Leitsatz (amtlich)
BKGG § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 kommt im Ergebnis einer unwiderlegbaren Vermutung gleich, daß jede drei Jahre übersteigende freiwillige Wehrdienstverpflichtung typischerweise und ausschließlich zu einer unabhängig vom Bestehen der Wehrpflicht ausgeübten Berufstätigkeit führt. Deshalb kann ein in Ausbildung stehendes Kind auch dann nicht nach dieser Bestimmung über das 27. Lebensjahr hinaus berücksichtigt werden, wenn es sich zunächst nur für drei Jahre verpflichtet, diese Verpflichtung aber im Laufe der Dienstzeit um eine Übergangszeit von drei Monaten bis zum nächsten Semesterbeginn für das beabsichtigte Hochschulstudium verlängert.
Normenkette
BKGG § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 Fassung 1975-01-01
Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 11.02.1980; Aktenzeichen S 9 Kg 21/79) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 11. Februar 1980 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit der Berufung begehrt die Klägerin weiterhin für ihren am … 1952 geborenen Sohn G. gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) über den 30. September 1979 hinaus Kindergeld (Kg). Die Klägerin ist die Witwe des am … 1978 verstorbenen Richters am Sozialgericht in Ruhe Dr. S.. Ihr Sohn G. verpflichtete sich nach dem Abitur ab 1. Juli 1972 zunächst auf drei Jahre als Zeitsoldat. Da er das geplante Studium nach Ablauf der Dienstzeit erst im Oktober 1975 aufnehmen konnte, verpflichtete er sich im September 1974 für drei weitere Monate bis einschließlich 30. September 1975. Seit dem 15. Oktober 1975 studiert er in H. Philologie.
Mit Bescheid vom 8. August 1979 lehnte die Beklagte die Weitergewährung von Kg über den 30. September 1979 hinaus ab, weil sie nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BKGG nur im Falle einer freiwilligen Dienstverpflichtung von nicht mehr als drei Jahren möglich sei.
Im Widerspruchsverfahren führte die Klägerin aus, nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sei die Versagung von Kg über das 27. Lebensjahr hinaus nur gerechtfertigt, wenn der Abschluß der Ausbildung durch längeren freiwilligen Dienst um mehr als drei Jahre verzögert worden sei. Das sei vorliegend nicht der Fall, weil die Verlängerung der ursprünglichen Dienstzeit um drei Monate nur zur Überbrückung der Wartezeit bis zum frühest möglichen Studienbeginn gedient habe. Die weitere Dienstzeit könne nicht anders behandelt werden als sonstige Zwischenbeschäftigungen, zumal sie nicht zu einer Erhöhung der Bezüge und der Abfindung ihres Sohnes geführt habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 23. Oktober 1979 zurück. Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BKGG komme es – anders als nach den rentenversicherungsrechtlichen Bestimmungen – nicht darauf an, ob sich die Ausbildung durch den geleisteten Dienst verzögert habe. Die in § 45 Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) in ähnlicher Weise getroffene Regelung, daß freiwilliger Dienst nur berücksichtigt werden könne, wenn er drei Jahre nicht übersteige, sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gerechtfertigt. Die freiwillige Verpflichtung sei danach dem gesetzlichen Wehrdienst nur deshalb gleichgestellt worden, weil durch sie die Wehrpflicht zum Erlöschen gebracht werde. Bei einer längeren Verpflichtung könne aber davon ausgegangen werden, daß die Ablösung der gesetzlichen Wehrpflicht nicht mehr ausschlaggebendes Motiv für die freiwillige Dienstleistung gewesen sei.
Mit der Klage hat die Klägerin weiter geltend gemacht, die Ablehnung ihres Anspruchs laufe auf einen nicht zu überbietenden Formalismus hinaus. Der Umstand, daß der freiwillige Wehrdienst die Verzögerung der Ausbildung nicht verursacht haben müsse, hindere die Auslegung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BKGG in ihrem Sinne nicht. Die Festlegung einer Dreijahresfrist und der Verzicht auf die ausdrückliche Forderung, daß der Dienst die Ausbildung verzögert habe, könne nur bedeuten, daß bei einer Verpflichtungszeit bis zu drei Jahren das Fehlen einer anspruchsvernichtenden Verzögerung unterstellt werde. Das schließe aber nicht den Nachweis aus, daß im Einzelfall auch bei längerer Dienstzeit keine schädliche Verzögerung eingetreten sei. Die Annahme, daß ein länger Dienender nicht mehr die Wehrpflicht in Form einer freiwilligen Verpflichtung erfüllen wolle, treffe auf ihren Sonn nicht zu, weil er sich zunächst nur für drei Jahre verpflichtet habe. Die spätere Weiterverpflichtung ändere nichts an seiner ursprünglichen Motivation, da sie sich auf eine in Anbetracht der abgeleisteten Wehrpflicht logische und sinnvolle Nutzung der bis zum Studienbeginn zur Verfügung stehenden Zeit beschränkt habe.
Das Sozialgericht Speyer hat die Klage mit Urteil vom 11. Februar 1980 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen dieses der Klägerin am 3. März 1980 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung vom 14. März 1980. Sie wied...