Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit bzw für langjährig Versicherte. Bewertung rentenrechtlicher Zeiten. Pflichtbeitrag. freiwillige Beiträge. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Ungleichbehandlung. Einführung von Abschlägen. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Die Ungleichbehandlung von Pflichtversicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung mit der Gruppe der freiwillig Versicherten verstößt nicht gegen Art 3 GG. Die Privilegierung Pflichtversicherter rechtfertigt sich daraus, dass sie hinsichtlich der Beitragsdauer und Beitragsdichte besondere Verpflichtungen tragen, denen sie sich nicht entziehen können, und damit erst die Funktionsfähigkeit der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung sicherstellen. Freiwillig Versicherte können hingegen über die Intensität ihrer Beziehung zur Versichertengemeinschaft und über ihren Anteil an der Solidarlast frei entscheiden, weil sie hinsichtlich der Dauer, der Höhe und der Stetigkeit der Beitragszahlung weitgehend frei disponieren können - hier in Bezug auf die Vertrauensschutzbestimmungen des § 236 Abs 2 SGB 6 und auf die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen in § 237 Abs 1 Nr 4 - (vgl BVerfG vom 17.10.1973 - 1 BvR 46/71 = BVerfGE 36, 120 = SozR Nr 98 zu Art 3 GG).
2. Eine dem Rentenversicherungsträger zuzurechnende fehlerhafte Beratung lässt sich hier nicht durch eine zulässige Amtshandlung ausgleichen. Die Gewährung einer Altersrente wegen Altersteilzeit ohne acht Jahre Pflichtbeitragszeiten in den letzten zehn Jahren vor Rentenbeginn ist unzulässig und kann somit auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs bewilligt werden. Dies ist aber eine der Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (vgl BSG vom 15.12.1999 - B 9 V 12/99 R = SozR 3-1200 § 14 Nr 28).
3. Die Einführung von Abschlägen bei Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (RRG 1999) vom 16.12.1997 (BGBl I 1997, 2998) bzw durch das Gesetz zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (WFG) vom 25.9.1996 (BGBl I 1996, 1461, 1806) verstößt nicht gegen das GG.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über Art und Höhe der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten.
Der ... 1938 geborene Kläger war als Geschäftsführer einer GmbH tätig. Seit dem 01.01.1968 war er auf Antrag von der Versicherungspflicht nach Art 2 § 1 Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) in der damals geltenden Fassung (a.F.) befreit. Mit Vertrag vom 05.01.2000 vereinbarte der Kläger mit seinem Arbeitgeber die Änderung seines Dienstvertrages als Altersteilzeitverhältnis (Beginn 01.01.2000 - Ende 31.12.2001).
Der Versicherungsverlauf des Klägers beinhaltet eine Beitragszeit von 548 Monaten (126 Monate mit Pflichtbeiträgen).
Den Antrag des Klägers vom 02.08.2001 auf Gewährung von Altersrente nach Altersteilzeitarbeit und Vollendung des 60. Lebensjahres lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19.11.2001 ab; die gemäß § 237 Abs 1 Nr 4 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) geforderte Voraussetzung von mindestens 96 Kalendermonaten mit Pflichtbeitragszeiten in den letzten zehn Jahren sei nicht erfüllt.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, als er von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit worden sei, habe man ihm zugesichert, dass freiwillige Beiträge genau wie Pflichtbeiträge behandelt würden. Des Weiteren beantragte der Kläger Altersrente für langjährig Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres ohne Rentenabschlag.
Mit Bescheid vom 05.02.2002 lehnte die Beklagte den Antrag auf Berechnung der Altersrente für langjährig Versicherte ohne Abschlag ab. Anspruch auf eine abschlagsfreie Rente bestehe auf Grund der Vertrauensschutzregelung des § 236 Abs 2 SGB VI für vor dem 01.01.1942 (bzw 14.02.1941) geborene Versicherte bei Belegung von 45 Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder dem Bezug von Vorruhestandsgeld am 14.02.1996. Keine dieser Alternativen erfülle der Kläger.
Mit Bescheid vom 12.02.2002 gewährte die Beklagte dem Kläger Altersrente für langjährig Versicherte ab dem 01.01.2002 mit Rentenabschlag. Diese Rente wurde mit Bescheiden vom 27.02. und 28.02.2002 wegen Änderung des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses neu berechnet.
Den gegen sämtliche Bescheide erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2003 zurück; die angefochtenen Bescheide seien nicht zu beanstanden.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Speyer mit Urteil vom 11.12.2003 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe die Rechtslage zutreffe...