Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Versicherungspflicht selbständiger Lehrer. Befreiung von der Versicherungspflicht. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Die weite Auslegung des § 2 S 1 Nr 1 SGB 6 ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Anordnung der Versicherungspflicht für selbständige Lehrer in der Rentenversicherung verletzt weder das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit noch verstößt es gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz oder das europarechtliche Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen und Verhaltensweisen (vgl BSG vom 12.10.2000 - B 12 RA 2/99 = SozR 3-2600 § 2 Nr 5).
2. § 231 Abs 6 SGB 6 verstößt nicht gegen Art 3 GG.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in seiner nebenberuflichen Tätigkeit als Lehrbeauftragter der Universität T und über die Voraussetzungen eines Befreiungstatbestandes.
Der im Jahre 1958 geborene Kläger ist im Hauptberuf Professor an der Fachhochschule K und Beamter auf Lebenszeit. Seit 1987 ist er zudem als Lehrbeauftragter an der Universität T tätig. An zwei Terminen pro Semester hält der Kläger eine Klausurbesprechung (Examenklausuren-Kurs "Strafrecht") ab. Pro Besprechungstermin bezog er 308,00 DM (616,00 DM pro Semester).
Nach Durchführung einer Betriebsprüfung teilte die Beklagte dem Kläger mit, er sei ab dem 1.1.1997 nach § 2 S 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) versicherungspflichtig. Da er den Lehrauftrag jedoch nur in geringfügigem Umfange ausübe, sei er gemäß § 5 Abs 2 SGB VI versicherungsfrei (Bescheid vom 9.10.2001).
Im September 2001 beantragte der Kläger, von der Versicherungspflicht als selbständiger Lehrer befreit zu werden; von seiner Versicherungspflicht habe er bisher keine Kenntnis gehabt, da er die von ihm in genehmigter Nebentätigkeit ausgeübte Lehrtätigkeit schon grundsätzlich nicht als sozialversicherungspflichtig ansehe.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.10.2001 ab. Die Befreiung von der Versicherungspflicht sei nur möglich, wenn der Kläger am 31.12.1998 eine nach § 2 Abs 1 Nr 1 bis 3 oder § 229 a Abs 1 SGB VI versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit ausgeübt habe. Dies sei hier nicht der Fall, da gemäß § 5 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB VI iVm § 8 Abs 3 SGB – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) Versicherungsfreiheit bestanden habe.
Im Widerspruchsverfahren gegen beide Bescheide machte der Kläger geltend, hinsichtlich des Lehrauftrags der Universität T handele es sich nicht um eine versicherungspflichtige Tätigkeit nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VI; denn er sei kein "selbständiger Lehrer". Nach Sinn und Zweck des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VI beziehe sich diese Vorschrift nur auf Personen, die von "Beruf" Lehrer seien; er sei jedoch Professor und übe an der Universität T nur eine genehmigte Nebentätigkeit aus. Insbesondere liege die zu fordernde Schutzbedürftigkeit bei ihm nicht vor. Als beamteter Professor habe er Pensionsansprüche. Die Auslegung der Beklagten verstoße zudem gegen Art 3 Grundgesetz (GG), da nicht alle Selbständigen von der Versicherungspflicht erfasst seien. Ein solcher Verstoß liege auch aus dem Gesichtspunkt vor, dass "Berater" nach Ansicht der Beklagten nicht unter § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VI fielen. Er sei im Rahmen der Klausurbesprechung nur als "Berater" der die Rechtsmaterie ohnehin kennenden Studenten tätig und folglich auch aus diesem Gesichtspunkt nicht rentenversicherungspflichtig. Der Kreis der Rentenversicherungspflichtigen sei auf die sozial schutzbedürftigen selbständigen Lehrer zu begrenzen.
Zur Begründung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 18.10.2001 führte der Kläger aus, § 231 Abs 6 SGB VI knüpfe an die Versicherungspflicht an, unabhängig davon, ob Beitragspflicht oder wegen Geringfügigkeit Beitragsfreiheit bestehe. Für eine gegenteilige Auslegung ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien kein Hinweis. Zu Unrecht berücksichtige die Beklagte nicht seine Beamtenversorgungszusage.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.7.2002 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, in seiner Nebentätigkeit als Lehrbeauftragter sei der Kläger selbständiger Lehrer und deswegen dem Grunde nach gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VI versicherungspflichtig. Als Beratertätigkeit könne die Durchführung des Lehrauftrages nicht gewertet werden, da er an die Examensstudenten Wissen vermittele. Die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 231 Abs 6 SGB VI seien nicht erfüllt, da der Kläger eine selbständige Tätigkeit am 31.12.1998 nur geringfügig ausgeübt habe und somit für ihn Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB VI iVm § 8 Abs 3 SGB IV bestanden habe. Da am 31.12.1998 keine Versicherungspflicht vorgelegen habe, könne folglich auch keine Befreiung von der Versicherungspflicht ausgesprochen werden.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Trier mit...