Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten. Anforderung an Datenerhebung für Wohnkostentabelle bei fehlendem Mietspiegel. Umzug in unangemessene Unterkunft ohne vorherige Zusicherung. keine Anwendung § 22 Abs 1 S 2 SGB 2. Kürzung der Heizkosten wegen Überschreitung der Wohnflächengrenze
Leitsatz (amtlich)
1. Ist in einer Wohngemeinde kein Mietspiegel iS des § 558c ff BGB vorhanden, ist es Sache des Grundsicherungsträgers, den angemessenen Quadratmeterpreis für Wohnraum durch eigene Datenerhebung zu ermitteln. Dabei muss der Grundsicherungsträger gewisse Mindestanforderungen beachten, insbesondere muss er eine Differenzierung nach der Wohnungsgröße vornehmen und den Zeitpunkt der Anmietung festhalten.
2. Ein Rückgriff auf die Tabelle zu § 8 WoGG 2 ist nicht schon dann möglich, wenn die Ermittlungen des Grundsicherungsträgers diesen Anforderungen nicht genügen und aufgrund Zeitablaufs eine Nachholung der Ermittlungen nicht mehr möglich ist. Vielmehr kann dieser nur dann erfolgen, wenn die örtlichen Gegebenheiten von vornherein eine Beurteilung des angemessenen Quadratmeterpreises nicht zulassen, zB weil ein Markt für Mietwohnungen mit den einschlägigen Wohnflächen nicht vorhanden ist.
Orientierungssatz
1. Die Bestandschutzregelung des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 aF gilt nur für Hilfeempfänger, die bei Leistungsbeginn in einer unangemessen teuren Unterkunft leben oder deren zuvor angemessene Unterkunft während des Leistungsbezugs ohne Wohnungswechsel (zB durch Mietpreiserhöhung) unangemessen teuer wird. Bei einem Wohnungswechsel während des Leistungsbezugs soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige dagegen nach § 22 Abs 2 S 1 SGB 2 vor Abschluss seines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen.
2. Fehlt die vorherige Zusicherung, so ist die Berücksichtigung der Kosten für die neue Unterkunft zwar nicht ausgeschlossen, aber es werden dann nur noch die angemessenen Unterkunftskosten übernommen.
3. Zur Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nach § 22 SGB 2.
4. Genügen die Ermittlungen des Grundsicherungsträgers zum angemessenen Quadratmeterpreis nicht den Anforderungen, so ist der tatsächliche Quadratmeterpreis der Unterkunft zu berücksichtigen, jedoch nur für die als angemessenen zu betrachtende Wohnfläche. Da die Wohnfläche auch maßgeblichen Einfluss auf die Höhe der Heizkosten hat, müssen die Heizkosten ebenfalls auf die angemessene Wohnungsgröße "heruntergerechnet" werden (vgl LSG Mainz vom 4.10.2006 - L 3 ER 148/06 AS = Breith 2007, 55).
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Kläger werden das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 17.05.2006 und der Bescheid der Beklagten vom 23.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.04.2005 sowie des Bescheides vom 06.06.2005 geändert und die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern für die Zeit vom 01.04.2005 bis zum 30.09.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgehend von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 484,40 € monatlich zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen zu 2/3.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren von der Beklagten die Bewilligung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum vom 01.04. bis zum 30.09.2005, insbesondere unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Unterkunftskosten.
Die 1979 geborene Klägerin zu 1) trennte sich am 05.03.2005 von ihrem Ehemann G. N.. Am 07.03.2005 mietete sie zum 15.03.2005 für sich, den gemeinsamen, am … 1998 geborenen Sohn J. N., den Kläger zu 2), sowie ihre am … 1997 geborene Tochter J. P., die Klägerin zu 3), eine Drei-Zimmer-Wohnung in der E. in … Z. . Die Wohnfläche der Wohnung beträgt 80 qm. Den Mietern ist der halbe linke Gartenteil zur alleinigen Nutzung überlassen. Die Kaltmiete belief sich zu Mietbeginn auf 380,00 €. Daneben war ein Abschlag für Betriebskosten in Höhe von 61,10 € monatlich (insgesamt somit 441,10 € monatlich) zu zahlen. Im Mietvertrag wurde eine Staffelmietvereinbarung getroffen, wonach sich die Miete zum 01.04.2006 um 15,00 € auf dann insgesamt 456,10 € und dann jeweils zum 01.04. eines Jahres um weitere 15,00 € erhöhte. Daneben schloss die Klägerin zu 1) mit der S. Z. GmbH einen Versorgungsvertrag über Gas und Strom. Für Strom waren im Jahr 2005 Abschläge in Höhe von 40,00 € und für Gas in Höhe von 80,00 € zu zahlen. Aufgrund des Vertragsbeginns erst zum März 2005 wurden im Jahr 2005 acht Abschläge, insgesamt 960,00 € gezahlt. Die Klägerin zu 1) bezog für ihre beiden Kinder Kindergeld in Höhe von insgesamt 308,00 € monatlich sowie Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) in Höhe von jeweils 164,00 €. Daneben übte sie eine Aushilfstätigkeit ...