Entscheidungsstichwort (Thema)

unzulässige Berufung. Berufungsausschluß. Leistungsbegriff. Sozialleistung. Ersatzleistung

 

Leitsatz (amtlich)

Schadensersatz, den ein Versicherungsträger vom Versicherten wegen der Verletzung von Nebenpflichten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis fordert, stellt eine einmalige Leistung im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG dar.

 

Normenkette

SGG § 144 Abs. 1 Nr. 1, §§ 149-150

 

Verfahrensgang

SG Speyer (Urteil vom 01.12.1980; Aktenzeichen S 9 K 22/80)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.03.1983; Aktenzeichen 8 RK 33/81)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 1. Dezember 1980 wird als unzulässig verworfen.

2. Die Klägerin hat dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Beklagte ist Mitglied der Klägerin. Laut Attest des Arztes Dr. H. vom 13. Juni 1977 erlitt er bei einer Auseinandersetzung eine schmerzhafte Schwellung über dem linken Augenlid. Aufgrund seiner Angaben nahm die Beklagte den Schädiger auf Schadensersatz in Höhe einer Pauschale von 60,– DM für von ihr erbrachte Leistungen in Anspruch. Durch Urteil vom 9. November 1978 – C 486/78 – wies das Amtsgericht (AG) Frankenthal die Klage ab, weil die behauptete Verletzung durch Notwehr gerechtfertigt gewesen sei. Daraufhin verklagte die Klägerin den Beklagten auf Erstattung der ihr entstandenen Kosten in Höhe von 398,48 DM. Das AG Frankenthal wies die Klage durch Urteil vom 27. September 1979 – C 339/79 – als unzulässig ab, weil der ordentliche Rechtsweg nicht gegeben sei.

Mit ihrer am 14. Dezember 1979 beim Sozialgericht (SG) eingegangenen Klage hat die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten weiterverfolgt. Sie hat vorgetragen, der Beklagte habe ihr gegenüber wahrheitswidrige Angaben gemacht und sie in den verlorenen Prozeß gedrängt; er habe dadurch seine aus dem Mitgliedschaftsverhältnis fließende Nebenpflicht zur Erteilung von Auskünften über den wirklichen Geschehensablauf und gleichzeitig die sich aus §§ 11, 60 Sozialgesetzbuch/1. Buch: Allgemeiner Teil (SGB I) ergebende Auskunftspflicht schuldhaft verletzt. Dieser Auffassung hat der Beklagte mit der Behauptung widersprochen, seine Darstellung des Sachverhalts entspreche der Wahrheit und könne durch Zeugen bestätigt werden.

Durch Urteil vom 1. Dezember 1980 hat das SG Speyer die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Die Klägerin könne sich auf das Rechtsinstitut der positiven Forderungsverletzung stützen, das auch im Bereich der Sozialversicherung Anwendung finden müsse. Der Gesetzgeber habe im SGB I zwar konkrete Nebenpflichten dem Empfängers von Sozialleistungen normiert und Sanktionen für den Fall der Verletzung bestimmt; Schadenersatzansprüche aufgrund unvollständiger und unrichtiger Angaben eines Versicherten seien jedoch nicht geregelt. Sie könnten nur bei einem massiven Verstoß gegen das Mitgliedschaftsrecht entstehen, der hier nicht gegeben sei.

Gegen dieses ihr durch Einschreibbrief vom 12. Dezember 1980 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Eingang beim Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz in Mainz am 31. Dezember 1980 Berufung eingelegt.

Sie trägt, ihr erstinstanzliches Vorbringen ergänzend, vor: Die strengen Voraussetzungen im Leistungsbereich könnten nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden, in dem es allein um Verhaltenspflichten des Versicherten gehe. Die Auffassung des SG führe zu einer ungerechtfertigten Privilegierung des pflichtwidrig handelnden Mitglieds. Die Berufung sei nicht ausgeschlossen; der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei keine „einmalige Leistung” im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG); es handele sich auch nicht um eine Streitigkeit wegen der Rückerstattung der Leistungen nach § 149 SGG.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG Speyer vom 1. Dezember 1980 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie 398,48 DM zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise, sie zurückzuweisen.

Er hält das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend. Im übrigen meint er, die Berufung sei unzulässig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagten-Akten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unzulässig.

Nach § 143 SGG findet gegen sozialgerichtliche Urteile zwar generell die Berufung an das LSG statt. Die Vorschrift des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG schließt dieses Rechtsmittel jedoch bei Ansprüchen auf einmalige Leistungen aus. Dieser Ausschlußtatbestand greift hier ein. Der von der Klägerin geforderte Schadensersatz stellt eine einmalige Leistung dar; die Ersatzleistung in Geld erschöpft sich ihrer Natur nach in einer einzigen Zahlung.

Als Leistungen im Sinne des § 144 Abs. 1 SGG werden allgemein nur Ansprüche Einzeln er gegen Versicherungsträger oder den Staat ode...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge