nicht-rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung. Gegenseitigkeit. Finanzausgleich
Leitsatz (amtlich)
Ein Rentenversicherungsträger darf gegen den Rentenanspruch nur eigene Beitragsforderungen, nicht solche anderer Versicherungszweige, aufrechnen. (Weiterentwicklung von BSG 1961-08-25 1 RA 233/59 = BSGE 15, 36).
Normenkette
RVO §§ 1299, 1312 Abs. 4, § 1383a
Verfahrensgang
SG Koblenz (Urteil vom 18.04.1975; Aktenzeichen S 1 J 802/73) |
Tenor
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 18. April 1975 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger auch die im Berufungsverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Forderung auf Zahlung rückständiger Beiträge zur Angestelltenversicherung gegen den Rentenanspruch des Klägers aufrechnen darf.
Durch Bescheid vom 29. Februar 1968 bewilligte die Beklagte dem 1902 geborenen Kläger ab dem 1. Dezember 1967 Altersruhegeld, das sie als Gesamtleistung aus Beiträgen zur Arbeiterrenten- und zur Angestelltenversicherung feststellte.
Nachdem die Vollstreckungsabteilung der beigeladenen Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) B. die Beklagte darauf hingewiesen hatte, der Kläger schulde – nach den einzelnen Versicherungszweigen aufgeschlüsselte – Gesamtsozialversicherungsbeiträge, teilte die Beklagte dem Kläger durch Bescheid vom 23. Juli 1969 mit, sie rechne die Beitragsforderung zur Arbeiterrentenversicherung gegen den Rentenanspruch in monatlichen Teilbeträgen auf.
Mit Schreiben vom 5. April 1973 erteilte die beigeladene AOK der Beklagten auf ausdrückliche Antrage die Auskunft, der Kläger schulde noch 5.662,03 DM an rückständigen Beiträgen zur Angestelltenversicherung. Daraufhin erklärte die Beklagte durch Bescheid vom 9. Oktober 1973 die Aufrechnung jener Beitragsforderung „nach Tilgung der Beitragsschuld zur Arbeiterrentenversicherung– gegen das Altersruhegeld.
Im Klageverfahren gegen diesen Bescheid hat die Beklagte, die die in Höhe der erklärten Aufrechnung einbehaltenen Beträge an die beigeladene AOK überwiesen hat, das Vorverfahren nachgeholt und am 8. Mai 1974 den Widerspruchsbescheid erteilt. Mit ihm hat sie den Bescheid vom 9. Oktober 1973 bestätigt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die für die Aufrechnung nach § 1299 Reichsversicherungsordnung (RVO) ebenfalls erforderliche gegenseitige Gläubiger- und Schuldneridentität ergebe sich aus der Funktionseinheit der Rentenversicherungsträger, so daß Beitragsforderungen der Rentenversicherung der Angestellten gegen Rentenansprüche aus der Rentenversicherung der Arbeiter aufgerechnet werden dürften, zumal die dem Kläger gewährte Rentenleistung als Wanderversicherungsleistung auf Beitragsanteilen der Angestelltenversicherung beruhe. Ferner hat die Beklagte während des Klageverfahrens, nämlich am 20. März 1975, dem Kläger einen weiteren Bescheid erteilt, mit dem sie Nebenansprüche zu den Beitragsansprüchen der Angestelltenversicherung (Säumniszuschläge, Verzugszinsen bis zum 31. Dezember 1973 und Nebenforderungen) von insgesamt 1.061,08 DM gegen den Rentenanspruch des Klägers aufrechnete.
Der Kläger hat vorgetragen, gegen eine Rente, die ein Versicherungsträger gewähre, dürften Ansprüche eines anderen Versicherungsträgers nicht aufgerechnet werden. Außerdem schulde er der Angestelltenversicherung keine Beiträge. Zudem stimme die Höhe der Aufrechnung mit der Vorschrift des § 850 c Zivilprozeßordnung (ZPO) nicht überein.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 9. Oktober 1973 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 1974 und den Bescheid vom 20. März 1975 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die von seinem Altersruhegeld bisher zu Gunsten der beigeladenen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Berlin im Wege der Aufrechnung einbehaltenen Rentenbeträge zurückzuzahlen und in Zukunft das Altersruhegeld ohne Aufrechnung mit geschuldeten Beiträgen zu anderen Versicherungsträgern auszuzahlen.
Die Beklagte und die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte haben ausdrücklich, die AOK B. sinngemäß, beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat an ihrer im Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 1974 mitgeteilten Rechtsauffassung festgehalten, der sich die AOK B. angeschlossen hat. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat vorgetragen, sie folge in der Frage der Gegenseitigkeit nach wie vor der einschlägigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 25. August 1961 in Entscheidungssammlung Band 15, S. 36), sie erhebe jedoch keine Einwendungen dagegen, daß ein Träger der Arbeiterrentenversicherung einem Ersuchen der Einzugstelle nachkomme und Angestelltenversicherungsbeiträge aufrechne.
Durch Urteil vom 18. April 1975 hat das Sozialgericht Koblenz dem Klageantrag in vollem Umfang entsprochen und – soweit die Beklagte mithin zur Rückzahlung von Rentenbeträgen verurteilt worden ist – die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die angefoc...