Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. GdB von 50. Versorgungsmedizinische Grundsätze. Funktionsbereich Psyche. konkrete Bezeichnung der Diagnose oder der einzelnen psychischen Krankheiten nicht relevant. Teilhabeeinschränkung. Voraussetzungen einer schweren Störung. Meidung einer monotonen Beschäftigung. keine Störung der beruflichen Tätigkeit insgesamt

 

Orientierungssatz

1. Entscheidend für die GdB-Bewertung ist die nachgewiesene gesundheitliche Einschränkung der Teilhabe beim Kläger und nicht die konkrete Bezeichnung der Diagnose. Deshalb kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob eine psychische Störung die Folge einer ADS- bzw ADHS-Erkrankung oder aber Auswirkungen der rezidivierenden depressiven Episode und/oder der sozialen Phobie ist.

2. Die Bildung von Einzel-GdB-Werten innerhalb eines Funktionssystems (hier der Psyche) führt nur dann entscheidungserheblich zu einer Erhöhung des (entscheidenden und allein feststellungsfähigen) Gesamt-GdB im konkreten Fall, wenn sich dadurch weitere Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ergeben (vgl BSG vom 15.5.2017 - B 9 SB 8/17 B).

3. Kann der behinderte Mensch aufgrund seiner psychischen Beeinträchtigungen keine monotonen Arbeiten verrichten, sondern braucht er eine neigungsorientierte Beschäftigung, wird hierdurch die Ausübung der beruflichen Tätigkeit nicht insgesamt gefährdet und eine schwere Störung nach Teil B Nr 3.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG) mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 noch nicht indiziert.

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 17.09.2019 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung eines höheren Grads der Behinderung (GdB) als 40.

Am 30.09.2016 stellte der am geborene Kläger beim Beklagten einen Antrag auf Anerkennung eines GdB. Als Gesundheitsstörungen machte er eine rezidivierende depressive Störung (mittelgradig), eine soziale Phobie, ein ADHS und eine Insomnia geltend.

Der Beklagte forderte Befundberichte bei Dr. M vom 01.11.2016 und Dr. H vom 08.11.2016 an. Der gutachterlichen Stellungnahme der Ärztin R vom 02.12.2016 folgend, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 13.12.2016 beim Kläger einen GdB von 30 ab dem 30.09.2016 fest. Dabei ging der Beklagte von einer psychischen Störung (depressive Störung) mit einem Einzel-GdB von 30 aus. Die Gesundheitsstörung „Insomnia“ sei bei der festgestellten Beeinträchtigung bereits berücksichtigt.

Der Kläger legte Widerspruch gegen die Entscheidung ein und machte einen GdB von mindestens 50 geltend. Die Beeinträchtigung wegen psychischer Störungen sei zu gering bemessen. Es müsse beurteilt werden, ob und welche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bzw. ob und welche sozialen und beruflichen Anpassungsschwierigkeiten aus der psychischen Erkrankung resultierten. In seinem Fall sei mindestens von mittleren sozialen Anpassungsschwierigkeiten auszugehen. Er sei beruflich massiv gefährdet. Private Kontakte seien aufgrund der Sozialphobie auf das Notwendigste reduziert. Er habe kein Interesse mehr daran, Freunde und Bekannte zu treffen.

Zur weiteren Abklärung forderte der Beklagte einen Bericht bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H vom 25.07.2017 und einen Befundbericht bei der Dipl.-Psych. P vom 27.09.2017 an. Dr. D erstellte hierzu am 10.10.2017 eine gutachterliche Stellungnahme und stellte fest, aktuell sei der GdB von 30 nicht ausgefüllt. Aufgrund des bei dem Krankheitsbild schwankenden Gesundheitszustands könne der GdB von 30 zwar weiterhin beibehalten werden, liege jedoch im oberen Ermessensbereich. Eine höhergradige Beeinträchtigung sei nicht festzustellen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2017 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Mainz (SG) hat der Kläger vorgetragen, der Beklagte habe bislang lediglich die Depression berücksichtigt. Es lägen jedoch weitere Erkrankungen vor, die sich wechselseitig bedingten und verstärkten und insgesamt als Teilhabebeeinträchtigung zu sehen seien. Ein GdB, der einer leichten Depression entspreche, werde dem Krankheitsbild nicht gerecht. Bei ihm lägen erhebliche Einschränkungen der Teilhabe vor. Nach Einschätzung seines behandelnden Psychiaters sei mindestens von mittleren sozialen Anpassungsschwierigkeiten auszugehen. Er sei massiv beruflich gefährdet und private soziale Kontakte seien auf das Notwendigste reduziert. Schon dies begründe einen GdB von mindestens 50. Zusätzlich sei die ADS bzw- ADHS- Erkrankung zu berücksichtigen. Es sei für jede Funktionsbeeinträchtigung, bezogen auf die Teilhabe, ein GdB zu vergeben und dann ein Gesamt-GdB zu bilden. Es sei nicht darauf zu verweisen, dass ein GdB für Funktionssysteme (hier die Psyche) insgesamt angegeben werde.

Das SG hat von Amts wegen ein nervenärztliches Gutachten bei dem Facharzt für Neurologie u...

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