Verfahrensgang

SG Koblenz (Urteil vom 13.12.1978; Aktenzeichen S 2 A 86/78)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 13. Dezember 1978 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der im … 1921 als Kind eines „arischen” Vaters und einer jüdischen Mutter geborene Kläger mußte nach eigenen Angaben im April 1935 das Realgymnasium verlassen. Nach kurzem Besuch einer Privatschule trat er als kaufmännischer Lehrling in den Betrieb seines Vaters ein, in dem er auch nach Beendigung der Lehre im Jahre 1938 weiterhin tätig war. Im Anschluß an einen Arbeitseinsatz am Westwall lebte er vom 6. November 1944 bis zum 3. März 1945 in der Illegalität. Nach Kriegsende war er vom 28. März 1945 bis zum 3. August 1945 als Aushilfsangestellter bei der Stadt K. beschäftigt. Seither übt er selbständige Erwerbstätigkeiten aus. Nachdem das Oberlandesgericht (OLG) Köln durch Urteil vom 21. Januar 1956 die Klage auf Entschädigung wegen Ausbildungsschadens abgewiesen und der Bundesgerichtshof (BGH) dem Kläger das Armenrecht zur Durchführung der zugelassenen Revision wegen fehlender Erfolgsaussicht verweigert hatte, gewährte das Land Nordrhein-Westfalen dem Kläger durch gerichtlichen Vergleich vom 19. Oktober 1956 eine Entschädigung in Höhe von 4.320,00 DM zum Ausgleich aller Entschädigungsansprüche.

Im Zusammenhang mit seinem Antrag auf freiwillige Versicherung als Selbständiger und Nachentrichtung freiwilliger Beiträge vom Dezember 1974 beantragte der Kläger im August 1975 zu klären, welche Zeiten ihm als politisch Verfolgtem angerechnet werden können. Durch Bescheid vom 26. Januar 1976 anerkannte die Beklagte außer der Beitragszeit vom 28. März bis zum 3. August 1945 eine Ersatzzeit wegen politischer Verfolgung vom 6. November 1944 bis zum 6. März 1945. Dieser Entscheidung widersprach der Kläger mit der Behauptung, die zehn Jahre von April 1935 bis März 1945 seien als Verfolgungszeit voll auf seine Rente anzurechnen; denn er habe aus rassenpolitischen Gründen nicht nur die höhere Schule sowie die Privatschule verlassen müssen und deshalb nicht studieren können, sondern auch trotz abgeschlossener Lehre sich nicht selbständig machen und im elterlichen Betrieb nur als „Hilfsarbeiter” geführt werden dürfen. Der Widerspruch blieb erfolglos.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 1978 hat der Kläger rechtzeitig beim Sozialgericht (SG) Koblenz Klage erhoben. Er hat die Ansicht vertreten, unter Würdigung der damaligen Situation der „Mischlinge I. Grades” (Halbjuden) sei bei der gesetzlichen Rentenversicherung die gesamte Zeit seiner kaufmännischen Lehre und Tätigkeit im väterlichen Geschäft zu berücksichtigen, da er nur dort habe unterschlüpfen können.

Durch Urteil vom 13. Dezember 1978 hat das SG Koblenz die Klage abgewiesen. Es hat in den Entscheidungsgründen dargelegt, daß die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen im streitigen Zeitraum nicht aus Verfolgungsgründen unterblieben sei.

Gegen dieses ihm am 30. Dezember 1978 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Eingang beim Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz in Mainz am 24. Januar 1979 Berufung eingelegt.

Er wiederholt sein früheres Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, zumindest aus Billigkeitsgründen einen Rentenanspruch auch aufgrund der Verfolgungszeit erworben zu haben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG Koblenz vom 13. Dezember 1978 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 1976 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Mai 1978 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die gesamte Zeit seiner Verfolgung von April 1935 bis März 1945 als Versicherungszeit anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakten sowie der Akten 53/51 O (Entsch.) 57/54 und 51 O (Entsch.) 292/59 des Landgerichts Köln verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und nicht durch §§ 144 bis 149 SGG ausgeschlossen. Sie ist gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das erstinstanzliche Urteil ist nicht zu beanstanden. Die vom Kläger geltend gemachte Verfolgungszeit fällt nicht unter die anrechnungsfähigen Versicherungszeiten; dazu gehören nach § 27 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) nur Beitrags- und Ersatzzeiten.

Beiträge sind für Zeiten innerhalb der streitigen zehn Jahre nicht entrichtet. Dies steht fest aufgrund der vom SG eingeholten Auskunft der Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz vom 25. August 1978; danach sind für den Kläger dort keine Versicherungsunterlagen oder sonstige Aufzeichnungen aufzufinden, obwohl die Versicherungskarten der im Jahre 1921 geborenen Versicherten vollständig erhalten geblieben sind. Damit stimmen auch die eigenen Angaben des Kl...

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