Leitsatz (amtlich)

1. Eine an sich ausgeschlossene Berufung ist weiterhin auch dann wirksam zugelassen, wenn die Zulassung in der "Rechtsmittelbelehrung" ausgesprochen ist. Die dahingehende Rechtsprechung ist durch das Urteil des BSG vom 1976-11-24 9 RV 104/75 = SozR 1500 § 150 Nr 4, in dem die Zulassung ausschließlich im Urteilstenor gefordert wird, nicht überholt.

2. Der Bemessungszeitraum für die Berechnung des Übergangsgeldes während einer Rehabilitations-Maßnahme ist bei freiwillig Versicherten und pflichtversicherten Selbständigen nur dann der Zeitraum der 12 Kalendermonate vor dem Beginn der Maßnahme, wenn vor diesem Zeitpunkt keine AU eingetreten war. Andernfalls erfaßt der Bemessungszeitraum die 12 Kalendermonate vor dem Eintritt der AU.

 

Verfahrensgang

SG Koblenz (Urteil vom 12.11.1976; Aktenzeichen S 6 A 129/76)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 12. November 1976 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit der Berufung und in der Sache über die Höhe eines dem Kläger gezahlten Übergangsgeldes.

Der Kläger ist selbständiger Kaufmann und bei der Beklagten freiwillig versichert. Er war ab 2. Oktober 1975 wegen einer Tbc-Erkrankung arbeitsunfähig krank. Vom 20. Oktober 1975 bis zum 28. April 1976 führte er auf Veranlassung und auf Kosten der Beklagten ein stationäres Heilverfahren durch. Er hatte noch am 3. Oktober 1975 freiwillige Beiträge für die Zeit von Januar bis September 1975 eingezahlt, die die Beklagte am 6. Oktober 1975 verbuchte. Das dem Kläger durch Bescheid vom 23. Dezember 1975 für die Dauer des Heilverfahrens gewährte Übergangsgeld hat die Beklagte nach § 18 Abs. 2 AVG nur aufgrund der im letzten Jahr vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 2. Oktober 1975 geleisteten Versicherungsbeiträge berechnet. Den dagegen erhobenen Widerspruch hat die Widerspruchsstelle der Beklagten durch Bescheid vom 3. Juni 1976 zurückgewiesen.

Der Kläger hat am 1. Juli 1976 die Klage zum Sozialgericht Koblenz erhoben und die Ansicht vertreten, nach § 18 Abs. 2 AVG seien die vor Beginn des Heilverfahrens von ihm noch geleisteten Versicherungsbeiträge für die Zeit von Januar bis September 1975 zu berücksichtigen, weil die Arbeitsunfähigkeit einer weiteren Beitragsleistung nicht entgegengestanden habe.

Durch Urteil vom 12. November 1976 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung der Beklagten als richtig bestätigt. Der erste Satz unter der Überschrift „Rechtsmittelbelehrung” lautet: „Die Berufung ist gemäß §150 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, zulässig.”

Das Urteil ist dem Kläger am 20. Dezember 1976 zugestellt werden. Am 23. Dezember 1976 hat er die Berufung eingelegt. Er meint, das Sozialgericht habe die an sich ausgeschlossene Berufung wirksam wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache im Urteil zugelassen. In der Sache wiederholt er sein bisheriges Vorbringen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 12. November 1976 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Dezember 1975 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 1976 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 20. Oktober 1975 bis zum 28. April 1976 unter Berücksichtigung der Beitragsleistung für die Zeit von Januar bis September 1975 ein höheres Übergangsgeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach ihrer Ansicht hat das Sozialgericht die Berufung nicht ordnungsgemäß zugelassen. Im übrigen hält sie das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozeßakte und der Verwaltungsakte der Beklagten (Abteilung Gesundheitsmaßnahmen) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet.

Es handelt sich um eine Angelegenheit der Rentenversicherung. In solchen Fällen ist die Berufung nicht zulässig, soweit sie nur die Rente für bereits abgelaufene Zeiträume betrifft (§ 146 SGG). Als Rente in diesen Sinne gilt auch das Übergangsgeld (vgl. BSG in SozR Nr. 11 zu § 146 SOG). Der Kläger macht ein höheres Übergangsgeld für den bereite abgeschlossenen Zeitraum vom 20. Oktober 1975 bis zum 28. April 1976 geltend. Deshalb ist die Berufung an sich ausgeschlossen. Sie ist nur dann statthaft, wenn das Sozialgericht sie im Urteil zugelassen hat (§ 150 Nr. 1 SGG). Das ist hier geschehen.

Es ist nach wie vor gefestigte Rechtsprechung des BSG, daß die Zulassung der Berufung nicht im Urteilstenor enthalten sein muß, sondern daß sie auch wirksam ist, wenn sie in den Urteilsgründen oder nur in der Rechtsmittelbelehrung ausgesprochen ist (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1971 –7 RKg 14/69– in SozR Nr. 51 zu § 150 SGG mit weiteren Nachweisen). Die in dem Urteil des BSG vom 11. November 1976 –10 RV 181...

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