Entscheidungsstichwort (Thema)
Alterssicherung der Landwirte. Landwirt. Landwirtschaftliches Unternehmen. BGB-Gesellschaft. Fortdauer der am 31.12.1994 bestehenden Befreiung von der Versicherungspflicht. Übergangsvorschrift des § 85 Abs 1 S 1 ALG. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Personen, die ein landwirtschaftliches Unternehmen in Form einer BGB-Gesellschaft führen und deshalb bis zum 31.12.1994 keine landwirtschaftlichen Unternehmen iS des § 1 Abs 3 GAL waren, genießen den Schutz der Übergangsvorschrift des § 85 Abs 1 S 1 ALG.
Orientierungssatz
Diese Auslegung des § 85 Abs 1 S 1 ALG ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG vereinbar.
Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 15.06.2000; Aktenzeichen S 11 LW 42/98) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 15.6.2000 sowie der Bescheid der Beklagten vom 3.2.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.7.1998 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Kläger in der Zeit vom 1.1. bis zum 30.9.1995 versicherungsfrei war.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtliche Kosten beider Instanzen zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist, ob der Kläger im Zeitraum vom 1.1. bis zum 30.9.1995 Mitglied der Beklagten war.
Der 1950 geborene Kläger bewirtschaftete vom 1.7.1976 bis zum 11.11.1995 zusammen mit seinem Bruder landwirtschaftliche Grundstücke (1,3759 ha Weinberge) in Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR).
Mit Bescheid vom 9.9.1996 nahm die Beklagte den Kläger gemäß § 1 des Gesetzes über die Alterssicherung für Landwirte (ALG) für die Zeit vom 1.1. bis zum 30.11.1995 in ihr Mitgliederverzeichnis auf und forderte ihn zur Zahlung von 3.201,– DM auf.
Hiergegen legte der Kläger mit am 11.10.1996 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben Widerspruch ein. Er vertrat die Auffassung, die Beklagte habe gegen ihre Aufklärungspflicht verstoßen, indem sie ihn nicht rechtzeitig über die Versicherungspflicht nach dem ALG informiert habe.
Die Beklagte wertete den Widerspruch des Klägers als Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht. Durch Bescheid vom 3.2.1998 befreite sie den Kläger mit Wirkung ab Oktober 1995 von der Versicherungspflicht. Für die Zeit bis 30.9.1995 forderte sie von ihm Beiträge in Höhe von 2.619,– DM. Die Beklagte ging davon aus, dass der Kläger im Hinblick auf seinen Unterhaltsgeldbezug ab 4.9.1995 hinsichtlich der Zeit ab Oktober 1995 die Voraussetzungen für die Befreiung von der Beitragspflicht erfülle; die zuvor bezogene Arbeitslosenhilfe (Alhi) begründe dagegen keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht.
Durch Widerspruchsbescheid vom 8.7.1998 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Dagegen hat der Kläger Klage erhoben.
Im Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, wenn ihm rechtzeitig die Beitragspflicht ab 1.1.1995 mitgeteilt worden wäre, hätte er sofort seine landwirtschaftliche Tätigkeit aufgegeben. Außerdem sei es verfassungswidrig, dass er als Alhi-Empfänger zu so hohen Beiträgen herangezogen worden sei. Er erhebe ferner die Einrede der Verjährung. Die Ansprüche der Beklagten seien im Übrigen verwirkt.
Durch Urteil vom 15.6.2000 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen und sich zur Begründung gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Begründung des Widerspruchsbescheides bezogen.
Gegen dieses ihm am 16.11.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 18.12.2000 (Montag) beim SG Speyer eingelegte Berufung des Klägers.
Der Kläger trägt vor: Das SG habe die Vorschrift des § 85 ALG nicht beachtet. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt Beitragszuschussmöglichkeiten mit ihm erörtert. Außerdem sei zu beachten, dass der Beitragszuschuss nicht den vollen Beitrag abdecke. Als Bezieher von Alhi habe er von der Beitragspflicht befreit werden müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Speyer vom 15.6.2000 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 3.2.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.7.1998 abzuändern und festzustellen, dass er in der Zeit vom 1.1. bis zum 30.9.1995 versicherungsfrei gewesen sei,
hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ihn für diese Zeit von der Beitragspflicht zu befreien,
weiter hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die nach §§ 143 f, 151 SGG zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger war im Gegensatz zur Meinung des SG in der vorliegend streitigen Zeit vom 1.1. bis 30.9.1995 nicht beitragspflichtig bei der Beklagten.
Vorliegend geht es nicht nur um die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht hat, sondern a...