Entscheidungsstichwort (Thema)

Fortsetzungsfeststellungsklage. berechtigtes Interesse. Amtshaftung. Amtsträger ≪hier: Berufungsausschuss≫

 

Orientierungssatz

1. Für ein berechtigtes Interesse iS des § 131 Abs 1 S 3 SGG genügt jedes nach Lage des Falles anzuerkennendes schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Das allgemeine Interesse nach Klärung einer bestimmten Rechtsfrage ist hingegen grundsätzlich unbeachtlich.

2. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses wegen der Betroffenheit von Grundrechtspositionen in Betracht.

3. Auch ein so genanntes Schadensinteresse kann einen geltend gemachten Fortsetzungsfeststellungsanspruch nicht begründen.

4. Nicht jeder objektive Rechtsirrtum kann ohne Weiteres einen Schuldvorwurf für den handelnden Amtsträger begründen. Hat dieser die Gesetzes- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft geprüft und hat er sich danach auf Grund objektiv vernünftiger Überlegungen eine Rechtsmeinung gebildet, die als rechtlich vertretbar angesehen werden kann, so kann - selbst wenn die Rechtsauffassung des Amtsträgers später durch Gerichte missbilligt werden sollte - ein Schuldvorwurf jedenfalls nicht daraus hergeleitet werden (vgl BGH vom 14.3.2002- III ZR 302/00 = BGHZ 150, 172).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 28.01.2009; Aktenzeichen B 6 KA 27/07 B)

 

Tenor

1.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 21.06.2006 wird zurückgewiesen.

2.

Der Kläger hat dem Beklagten und der Beigeladenen zu 2. die außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

3.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage darüber, ob der Beklagte dem Kläger bis zur Neufassung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM) und der Bedarfsplanungsrichtlinien ein Wahlrecht zwischen der Entscheidung für die Teilnahme an der hausärztlichen oder der fachärztlichen internistischen Versorgung hätte einräumen müssen bzw. ihm hilfsweise bis zu diesem Zeitpunkt die gleichzeitige Teilnahme an der haus- und der fachärztlichen Versorgung hätte gestatten müssen.

Der Kläger nimmt seit 1983 als Internist an der kassen- bzw. vertragsärztlichen Versorgung teil, er ist Belegarzt der Internistischen Abteilung des Krankenhauses B. Nachdem sein 1995 gestellter Antrag, ab 01.01.1996 unbegrenzt zur gleichzeitigen fach- und hausärztlichen Versorgung zugelassen zu werden, erfolglos geblieben war (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 24.08.1995, des Beklagten vom 20.12.1995, klageabweisender Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 11.02.1998 - S 8 Ka 89/96 -, die Berufung des Klägers zurückweisendes Urteil des Senats vom 22.04.1999 - L 5 Ka 54/98 -), hatte der Kläger seit 1996 auf Grund seiner hilfsweisen Wahlentscheidung an der hausärztlichen Versorgung teilgenommen.

Im Hinblick auf die ab 01.01.2001 geltende Einschränkung der Wechselmöglichkeit zwischen der Teilnahme an der haus- oder der fachärztlichen Versorgung für Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung beantragte der Kläger mit Schreiben vom 15.12.2000 die Aussetzung der Entscheidung hinsichtlich der Teilnahme an der hausärztlichen oder der fachärztlichen Versorgung bis zur Vorlage der Neufassung des EBM und der Bedarfsplanungsrichtlinien, hilfsweise die Zulassung zur gleichzeitigen Teilnahme an der haus- und fachärztlichen Versorgung, bis diese Regelungen vorlägen, weiter hilfsweise die Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung bis zur endgültigen Fassung des EBM und der Bedarfsplanungsrichtlinien und die Option zur Umentscheidung; hilfsweise entschied er sich für die Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung. Er führte aus, da derzeit nur der Entwurf des neuen EBM vorliege und die Bedarfsplanungsrichtlinien und damit mögliche Zulassungssperren noch nicht endgültig verabschiedet seien, sei es ihm nahezu unmöglich, die geforderte Entscheidung bereits zu treffen. Der Zulassungsausschuss für Ärzte im Regierungsbezirk Koblenz lehnte das Begehren des Klägers ab und nahm die Entscheidung zur Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung zur Kenntnis (Beschluss vom 19.02.2001). Ein Entscheidungszwang sei mit den Regelungen des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000, das eine stärkere Differenzierung zwischen haus- und fachärztlicher Versorgung anstrebe, nicht verbunden; vielmehr könnten Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung auch zukünftig die Teilnahme an der hausärztlichen oder fachärztlichen Versorgung wählen, wenn für den betroffenen Planungsbereich keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet worden sind. Die hilfsweise beantragte gleichzeitige Teilnahme an der haus- und fachärztlichen Versorgung komme allenfalls zur Sicherungstellung einer bedarfsgerechten Versorgung in Betracht, die unter Berücksichtigung der geltenden Übergangsregelungen erst nach...

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