Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Soldatenversorgung. Wehrdienstbeschädigung. Unfall. Auffinden eines toten Bundeswehrarztes im Bundeswehrkrankenhaus durch die Ehefrau. posttraumatische Belastungsstörung. wehrdiensteigentümliche Verhältnisse. Kausalität. kein innerer Zusammenhang mit der Dienstverrichtung
Orientierungssatz
Ein Unfall oder eine Wehrdienstbeschädigung während des Wehrdienstes setzt das Mitwirken von wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen voraus. Diese liegen nicht vor, wenn die eingetretene Schädigung zwar zeitlich während des Wehrdienstes erfolgt ist (hier Auffinden eines toten Bundeswehrarztes an dessen Arbeitsplatz), diese aber allein aufgrund persönlichkeitseigener Faktoren des Opfers (hier der plötzliche Verlust des geliebten Partners durch Selbstmord) eingetreten ist.
Normenkette
SVG § 80 S. 1, § 81 Abs. 1, 6 S. 1, § 27 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 22.05.2014 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Wehrdienstbeschädigungsfolgen nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG).
Die im Jahr 1971 geborene Klägerin war Oberstabsärztin der Bundeswehr und mit dem im Jahr 1966 geborenen Oberfeldarzt N O S (S.) verheiratet; sie ist mittlerweile in den Ruhestand versetzt. S. war seit Mai 2004 als Facharzt für Plastische Chirurgie im B-krankenhaus K Sektion Plastische Wiederherstellungschirurgie / Verblendungsmedizin tätig, in der auch die Klägerin beschäftigt war.
Am . .2007 gegen 10.15 Uhr wollte die Klägerin das Dienstzimmer der Ambulanz in der Sektion Plastische Chirurgie des B-krankenhauses betreten, das allerdings von innen abgeschlossen war. Durch einen Blick von außen konnte die Klägerin zusammen mit einem weiteren Arzt den S. sehen, der auf einer Liege lag. Nachdem die Tür mittels eines Generalschlüssels geöffnet werden konnte, wurde S. tot auf der Liege aufgefunden. Der Tod war durch Verabreichung von Medikamenten eingetreten, die S. sich durch eine Infusion zugeführt hatte. Neben der Leiche fand sich ein Abschiedsbrief der mit den Worten begann: ".. und ich war so gerne Arzt!. Liebe Kameraden, lasst mich in Frieden gehen. Bitte keine Reanimation, es ist mein freier Wille. Ich möchte nur nicht als "Vegetable" enden, da zähle ich auf Euch."
Im September 2007 beantragte die Klägerin bei dem Amt für soziale Angelegenheiten Koblenz Witwenrente nach dem SVG. Mit Bescheid vom 16.10.2010 lehnte es den Antrag auf Witwenrente ab. Nach Auswertung der beigezogenen Unterlagen sei davon auszugehen, dass wehrdiensteigentümliche Verhältnisse für die Selbsttötung von S. nicht in Betracht kämen. Eine Beeinträchtigung der freien Willensbestimmung durch schädigende Tatbestände nach dem SVG, also eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse, sei auszuschließen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Wille des S. zur Selbsttötung vom freien Entschluss getragen worden sei. Der Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 19.05.2008), die Klage (Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 09.09.2011) und die Berufung (Urteil des erkennenden Senats vom 17.10.2012, Az.: L 4 VS 6/11) blieben erfolglos. Zur Begründung hatte der Senat in seinem Urteil vom 17.10.2012 im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht nachgewiesen, dass der Tod des S. durch wehrdiensteigentümliche Verhältnisse eingetreten sei. In Abwägung aller bekannten Umstände spreche im vorliegenden Fall mehr dafür, dass S. in freiem Willensentschluss aus dem Leben geschieden und dies nicht derart wesentlich auf Wehrdiensteinflüsse zurückzuführen sei, dass ein freier Wille des S. nicht mehr bestanden habe. Dass wehrdiensteigentümliche Verhältnisse in einem Ausmaß vorgelegen hätten, die eine freie Willensentscheidung des S. nicht mehr möglich gelassen hätten, sei zur Überzeugung des Senats nicht feststellbar. Selbst wenn angenommen werde, dass neben privaten Faktoren auch die von S. als unbefriedigend empfundene berufliche Entwicklung und Kariere eine Rolle bei dem Entschluss zu seinem Freitodes gespielt haben möge, stelle dies eine Spekulation dar. Es würde zudem, selbst wenn man davon ausginge, nicht als wehrdiensteigentümlich anzusehen sein. Denn nicht verwirklichte Karriereerwartungen würden sich vielfach auch im Zivilleben, nicht nur bei Ärzten in Krankenhäusern, sondern auch in allen möglichen Berufen ergeben. Gleiches gelte für das von der Klägerin geschilderte "Mobbing". Ein solches anfeindendes und fortgesetztes Verhalten von Arbeitskollegen und/oder Vorgesetzten setzt immer einen individuellen Willensentschluss des "Täters" voraus, also eine Zwischenursache und könne deshalb auch keine Berufskrankheit darstellen, so dass es auch keine Schädigungsursache nach dem SVG darstelle.
Im O...