Verfahrensgang

SG Speyer (Urteil vom 02.02.1994; Aktenzeichen S 7 U 188/92)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 2.2.1994 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz zu erstatten.

 

Tatbestand

Umstritten ist, ob der Verkehrsunfall der Klägerin vom November 1991 einen versicherten Wegeunfall darstellt und sie aus diesem Grund einen Anspruch auf Gewährung von Entschädigungsleistungen gegen die Beklagte hat.

Die Klägerin erlitt am 4.11.1991 gegen 13.50 Uhr auf dem Weg von ihrer Arbeit nach Hause einen Verkehrsunfall, wodurch sie schwere Verletzungen davontrug. Sie war mit ihrem PKW auf der B 10 aus Richtung L. kommend in Richtung E. gefahren. Wie sich ua aus Angaben einer Unfallzeugin ergibt, war die Klägerin verbotswidrig, ohne einen Blinker zu setzen, aus einer Fahrzeugkolonne nach links über die durchgezogenen Mittellinien ausgeschert und über die beiden Fahrspuren des Gegenverkehrs an die linke Leitplanke geprallt. An dieser war sie einige Meter entlanggestreift und dann auf einen ca 54 Meter entfernt stehenden LKW aufgefahren. Der LKW war dort von einer Leitplankenmontagefirma mit eingeschaltetem gelbem Rundumlicht abgestellt worden.

Die Klägerin gab der Polizei gegenüber an, sie könne sich wegen ihres Erinnerungsverlustes nicht zum Zustandekommen des Unfalls äußern.

In einem Aktenvermerk eines Polizeibeamten wurde festgehalten: Witterungsbedingte Einflüsse als Ursache des Unfalls seien nicht vorhanden gewesen. Die B 10 sei an der Unfallstelle sowie einige hundert Meter davor und auch dahinter nahezu gerade. Bei der Unfallaufnahme sei im Fußraum des PKW der Klägerin ein Pudel entdeckt worden, der von den Pedalen eingeklemmt und bei dem Unfall getötet worden sei. Es sei daher davon auszugehen, daß sich der Hund unmittelbar vor dem Aufprall bereits im Fußraum der Fahrerin aufgehalten habe.

Die Polizei holte ein kraftfahrzeugtechnisches Gutachten des Ingenieurbüros B. und W. in N. vom Dezember 1991 ein. Darin wurde ausgeführt: Bei der Überprüfung des Fahrzeugs der Klägerin hätten sich keine Hinweise auf unfallursächliche technische Mängel erkennen lassen. In Anbetracht des bei der Fahrzeugüberprüfung unterhalb des Pedalwerks des PKW gefundenen Hundekadavers und der auf dem Beifahrersitz liegenden Frischfleischprodukte komme durchaus die Möglichkeit in Betracht, daß die Klägerin durch ein Verhalten des Hundes abgelenkt bzw in der Fahrzeugbedienung behindert worden sei. Eine abschließende Beurteilungsmöglichkeit in dieser Richtung ergebe sich aus kraftfahrzeugtechnischer Sicht nicht.

Die Klägerin erklärte der Beklagten im März 1992, sie habe am Unfalltag, nachdem sie ihre Arbeitsstätte verlassen gehabt habe, auf dem Betriebsparkplatz auf ihre Mutter gewartet, die ihr den Pudel übergeben habe. Der Pudel habe sich während der Fahrt auf dem Rücksitz befunden.

Durch Bescheid vom 27.4.1992 lehnte die Beklagte eine Entschädigung aus Anlaß des Ereignisses vom November 1991 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: Alle Umstände sprächen für einen durch das Verhalten des mitgeführten Hundes infolge Ablenkung und/oder Behinderung der Klägerin in der Fahrzeugbedienung herbeigeführten Unfall. Da für die Mitnahme des Hundes kein dem Erreichen des Wegzieles dienlicher Grund maßgebend gewesen sei, habe sich in dem Unfall ein privates Risiko verwirklicht. Selbst wenn man davon ausgehen würde, daß nicht klärbar sei, ob das zusätzliche private Risiko durch die Mitnahme des Hundes oder die versicherte Wegegefahr Ursache des Unfalls gewesen sei, komme man zu keinem anderen Ergebnis, weil die Folgen dieser Beweislosigkeit zu Lasten der Klägerin gingen.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 20.7.1992 zurückgewiesen.

Im Klageverfahren hat die Klägerin die Auffassung vertreten, ein Versicherungsschutz sei nicht wegen der Mitnahme des Hundes ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen einer sog. selbstgeschaffenen Gefahr nicht vorlägen. Demgegenüber hat die Beklagte die Meinung geäußert, die Klägerin habe, bei Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27.10.1987 (Az.: 2 RU 31/87), keinen versicherten Wegeunfall erlitten, weil sie infolge der Mitnahme des Hundes einer ausschließlich in der privaten Sphäre entstandenen Gefahr erlegen sei.

Das SG hat ein Gutachten von Dipl-Ing We. aus N. vom Juni 1993 eingeholt. Dieser hat ausgeführt: Es sei möglich, daß der Hund während der Fahrt auf den Beifahrersitz gesprungen sei und die Klägerin diesen von dort habe vertreiben wollen, wodurch sie die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren habe. Die Position des Hundes vor dem Abkommen von der Fahrbahn könne aber nicht eindeutig nachgewiesen werden. Die Klägerin könne nach dem Ausscheren vor dem Aufprall auf den LKW von einer Bremsung des Fahrzeugs abgesehen haben, um den unter Umständen bereits im Bereich des Pedalwerks befindlichen Pudel nicht zu verletzen. Wenn sie gebremst hätte, hätte sie zweifellos...

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