Leitsatz (amtlich)

Zur Berufsausbildung als Kosmetikerin im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKGG gehört auch das in den Ausbildungsrichtlinien des Bundesverbandes Deutscher Kosmetikerinnen e.V. vorgesehene einjährige Berufspraktikum im Anschluß an den erfolgreichen Besuch einer einjährigen Berufsfachschule.

 

Normenkette

BKGG § 2 Abs. 2 Fassung 1982-01-01

 

Verfahrensgang

SG Speyer (Urteil vom 23.01.1984; Aktenzeichen S 9 Kg 44/83)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer abgeändert:

Der Bescheid das Arbeitsamts Pirmasens vom 20. Juli 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 1983 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für seine Tochter Elke über den 31. März 1983 hinaus bis zur Beendigung ihres am 1. Juli 1983 begonnenen Praktikums Kindergeld zu gewähren.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit der Berufung begehrt der Kläger weiterhin ab 1. April 1983 Kindergeld (Kg) für seine Tochter Elke.

Der 1935 geborene Kläger erhielt zuletzt bis März 1983 vom Arbeitsamt Pirmasens Kg für zwei Kinder: Elke, geboren am … 1963 und Andreas, geboren am … 1965. Danach stellte das Arbeitsamt die Zahlung für Elke wegen Beendigung ihrer Ausbildung an der Frankfurter Berufsfachschule für Kosmetik ein.

Am 1. Juli 1983 begann die unverheiratete Tochter des Klägers zur Ergänzung ihrer schulischen Ausbildung mit einem einjährigen Praktikum in einem Kosmetikfachbetrieb in L. Sie erhält dort vereinbarungsgemäß eine Ausbildungsvergütung von 400,– bis 600,– DM brutto monatlich. Den Antrag des Klägers vom 13. Juli 1983 auf Weitergewährung von Kg für Elke lehnte das Arbeitsamt mit Bescheid vom 20. Juli 1983 und Widerspruchsbescheid vom 4. November 1983 ab. Elkes Ausbildung als Kosmetikerin sei mit dem erfolgreichen Abschluß der Berufsfachschule beendet. Das für die Berufsausübung nicht notwendige anschließende Praktikum sei auch dann nicht als Berufsausbildung im Sinne von § 2 Abs. 2 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) anzusehen, wenn es ihre Berufsaussichten verbessere.

Mit der Klage hat der Kläger wie schon im Widerspruchsverfahren geltend gemacht, in der schulischen Ausbildung seien keine praktischen Erfahrungen vermittelt worden, ohne die jedoch nur geringe Aussichten bestünden, eine Anstellung als Kosmetikerin zu finden. Die Beklagte verkenne, daß es nicht darauf ankomme, ob das Praktikum vorgeschrieben sei. Es genüge, daß es üblich sei und der beruflichen Aus- und Weiterbildung diene. Das vom Bundesverband Deutscher Kosmetikerinnen e.V. aufgestellte Berufsbild für den gesundheitspflegerischen Beruf Kosmetikerin sehe ausdrücklich eine zweijährige Ausbildung, ein Jahr Berufsfachschule und ein Jahr Praktikum, vor.

Das Sozialgericht Speyer hat die Klage mit Urteil vom 23. Januar 1984 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen dieses dem Kläger am 7. Februar 1984 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung vom 2. März 1984, mit der er sein bisheriges Vorbringen wiederholt.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. April 1983 weiterhin Kindergeld unter Berücksichtigung seiner Tochter Elke zu gewähren,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Sie hält das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide für zutreffend. Die Berücksichtigung der Tochter des Klägers während des streitigen Praktikums scheitere bereits daran, daß sie mit der Abschlußprüfung der Berufsfachschule den Beruf einer Kosmetikerin ausüben könne und dürfe. Eine für die Berufsausübung nützliche oder förderliche zusätzliche Tätigkeit erfülle nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht die an ein Ausbildungsverhältnis zu stellenden Anforderungen. Insbesondere sei das streitige Praktikum kein integrierter Bestandteil der in Hessen absolvierten schulischen Ausbildung.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozeßakten und die Akten des Arbeitsamts Pirmasens – Kg-Nr. … – Bezug genommen; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage zu unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Dem Kläger steht Kg für seine Tochter Elke über den 31. März 1983 hinaus bis zur Beendigung des streitigen Praktikums zu. Bei diesem Praktikum handelt es sich entgegen der Auffassung der Beklagten um Berufsausbildung im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKGG. Der Anspruch auf Kg für die Übergangszeit von weniger als 4 Monaten zwischen Beendigung der schulischen Ausbildung im März 1983 und dem Beginn des Praktikums im Juli 1983 ergibt sich aus § 2 Abs. 2 Satz 4 BKGG.

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob Praktika, auch wenn sie nach den maßgeblichen Ausbildungsvorschriften nicht ausdrücklich vorgeschrieben si...

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