Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Arzneimittelstudie

 

Orientierungssatz

1. Erprobungen von Arzneimitteln - auch nach deren Zulassung - sind auf Kosten des Krankenversicherungsträgers unzulässig.

2. Für das Entstehen einer Vergütungspflicht reicht es nicht aus, dass eine Krankenhausbehandlung für die durchgeführte Dauer erforderlich war, vielmehr muss hierbei die erforderliche Behandlung auch nach dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse durchgeführt worden sein.

3. Auch die Einwilligung eines Versicherten zur Teilnahme an einer Arzneimittelstudie enthebt ein Krankenhaus nicht von der Verpflichtung, zu Lasten der Krankenkasse nur solche Behandlungen abzurechnen, die zu deren Leistungsspektrum zählen.

4. Die Durchführung der Arzneimittelstudie entsprechend den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes und mit Zustimmung der zuständigen Ethikkommission begründet ebenfalls keine Vergütungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 22.07.2004; Aktenzeichen B 3 KR 21/03 R)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung des Pflegesatzes für die Behandlung von Versicherten während eines Arzneimittelversuchs in Höhe von 177.049,99 DM (90.524,22 €) zuzüglich 2 v.H. Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 29.6.1998.

Zwölf bei der Beklagten Krankenversicherte befanden sich in der Zeit von Januar 1994 bis Mai 1995 zur stationären Behandlung von Depressionen in der Psychiatrischen Klinik des Klägers. In diesem Zeitraum führte der Kläger unter anderem an diesen Versicherten einen Arzneimittelversuch durch in Form einer Dosisfindungsstudie mit dem für die Behandlung von Depressionen nicht zugelassenen Mittel Pramipexol der Fa. U/USA und einer Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie mit dem in Deutschland nicht zugelassenen Mittel Duloxetin der Fa. L und Co./USA. Nach den Feststellungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ist Pramipexol ein Dopamin-Agonist und seit 4.11.1997 für die Behandlung des Morbus Parkinson zugelassen. Nach Berichten der "Deutschen Apotheker Zeitung (13/1996, S. 50) solle es den Beginn von Komplikationen bei der Levodopa-Therapie des Morbus Parkinson hinauszögern. Für das in Deutschland damals nicht zugelassene Mittel Duloxetin fanden sich nach den Recherchen des MDK nur wenige neuere Studien; an depressiven Patienten sei lediglich eine unkontrollierte Studie in Südafrika durchgeführt worden; aussagekräftige neuere Veröffentlichungen zu Duloxetin-Studien an deutschen Kliniken hätten zum Begutachtungszeitpunkt nicht vorgelegen.

Die Beklagte zahlte zunächst die der Gesamtdauer der Behandlung entsprechenden Pflegesätze. Nach kritischen Presseberichten über den Arzneimittelversuch beauftragte die Beklagte den MDK mit der Überprüfung der Fälle und bat diesen um Mitteilung, an welchen Tagen der stationären Behandlung Maßnahmen der Arzneimittelstudie im Vordergrund gestanden hatten und an welchen Studientagen andere Therapieformen stattgefunden hatten, die es rechtfertigen, die Maßnahmen der Medikamentenstudie in den Hintergrund treten zu lassen. Der MDK (Fachärztin für Psychiatrie Dr. P mit Facharzt für Psychiatrie B bzw. Fachärztin für Psychiatrie B) stellte auf Grund sozialmedizinischer Begutachtung jedes Einzelfalles fest, dass während der Gesamtbehandlungsdauer der Versicherten für folgende Zeiträume Maßnahmen der Arzneimittelstudie im Vordergrund standen:

Versicherte:

Behandlungszeitraum

Gesamtdauer (Tage)

davon Vorrang der Teilnahme an Arzneimittelversuch (Tage)

C R  

14.01.1994 - 29.03.1994

85   

83   

F K  

18.02.1994 - 29.03.1994

40   

39   

M P  

25.02.1994 - 29.04.1994

64   

62   

B O  

18.08.1994 - 19.09.1994

33   

31   

S D  

04.11.1994 - 18.11.1994

15   

4   

R K  

08.11.1994 - 29.12.1994

52   

19   

P K  

23.11.1994 - 30.12.1994

38   

36   

G Sch 

24.11.1994 - 16.02.1995

85   

21   

H G  

16.12.1994 - 21.03.1995

106  

106  

H K  

20.12.1994 - 22.02.1995

65   

32   

R S  

04.01.1995 - 03.04.1995

90   

15   

D K  

20.04.1995 - 22.05.1995

33   

31   

Mit Schreiben vom 29.6.1998 forderte die Beklagte von dem Kläger die Erstattung des für die Versicherten gezahlten Pflegesatzes für insgesamt 459 Pflegetage, an denen die Teilnahme an der Arzneimittelstudie im Vordergrund gestanden habe, in Höhe von insgesamt 177.049,99 DM, da insoweit die Behandlung nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprochen habe und deshalb nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen sei. Die Beklagte verrechnete den streitigen Betrag mit sonstigen Forderungen des Klägers.

Die vom Kläger am 21.5.1999 erhobene Zahlungsklage hat das Sozialgericht (SG) Mainz mit Urteil vom 18.5.2001 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf die streitigen Behandlungskosten, da die während der Arzneimittelstudie erbrachte Krankenhausbehandlung nicht dem von § 2 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - gefor...

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