Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. Notwendigkeit der ärztlichen Feststellung bei unzutreffender oder fehlender rechtlicher Beratung durch den behandelnden Arzt. rückwirkender Anspruch bei fehlerhafter Feststellung der Arbeitsfähigkeit
Orientierungssatz
1. Die Obliegenheit Versicherter, zur Aufrechterhaltung ihres Krankengeldanspruchs ihre Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf jedes Krankengeldbewilligungsabschnitts erneut ärztlich feststellen zu lassen, entfällt nicht deshalb, weil der behandelnde Arzt den Versicherten unzutreffend oder gar nicht rechtlich beraten hat (vgl BSG vom 4.3.2014 - B 1 KR 17/13 R = SozR 4-2500 § 192 Nr 6).
2. Ausnahmsweise steht die fehlende ärztliche Feststellung einem Anspruch auf Zahlung von Krankengeld nicht entgegen, wenn (a) der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, (b) daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert wurde und (c) zusätzlich seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend gemacht hat (vgl BSG vom 8.11.2005 - B 1 KR 30/04 R = BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1).
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 08.07.2014 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Krankengeld für die Zeit vom 04.01.2013 bis zum 07.05.2013.
Die 1960 geborene Klägerin, die bei der Beklagten krankenversichert ist, war im Versicherungsbüro ihres Ehemanns beschäftigt. Wegen der Betriebsschließung wurde ihr am 30.09.2012 zum 31.12.2012 gekündigt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S attestierte ihr am 23.11.2012 wegen einer depressiven Episode Arbeitsunfähigkeit bis zum 07.12.2012, am 07.12.2012 bis 21.12.2012 sowie am 21.12.2012 bis zum 03.01.2013. Die Beklagte zahlte der Klägerin ab dem 01.01.2013 Krankengeld. Am 04.01.2013 stellte sich die Klägerin bei der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. K vor, die ihr Arbeitsunfähigkeit zunächst bis zum 25.01.2013 attestierte und auch für die Folgezeit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellte. Mit Schreiben vom 22.01.2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihr sei nicht durchgängig Arbeitsunfähigkeit vom Arzt bescheinigt worden. Die Klägerin führte in ihrem Schreiben vom 26.01.2013 aus, sie habe bereits 2012 eine Überweisung von Dr. S zu Dr. K erhalten, der zunächst für den 07.01.2013 vereinbarte Termin sei von Dr. K auf den 04.01.2013 vorgelegt worden. Am 03.01.2013 sei sie bei Dr. S gewesen. Sie legte eine Bescheinigung des Dr. S vom 24.01.2013 vor, der ausführte, sie habe sich am 03.01.2013 in seiner Sprechstunde vorgestellt. Bis zu diesem Tag sei sie von ihm arbeitsunfähig geschrieben gewesen. Überlappend sei am 04.01.2013 eine neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch Dr. K ausgestellt gewesen. Sie sei somit fortlaufend arbeitsunfähig gewesen. Mit Bescheid vom 04.02.2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit liege bei ihr nicht vor. Die Folgebescheinigung hätte spätestens am 03.01.2013 ausgestellt werden müssen, um einen durchgehenden Anspruch auf Krankengeld zu bewirken. Somit bestehe ab dem 04.01.2013 kein Anspruch auf Krankengeld. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, sie habe alles in ihrer Macht Stehende und Zumutbare getan, um ihre Ansprüche zu wahren. Nur weil der Hausarzt gemeint habe, im Hinblick auf den am nächsten Tag anstehenden Facharztbesuch keine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen zu müssen, wäre eine Lücke eingetreten. Diese Fehleinschätzung des Vertragsarztes sei der Beklagten über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zuzurechnen. Durch Widerspruchsbescheid vom 03.04.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 16.04.2013 beim Sozialgericht Koblenz Klage erhoben und beantragt, ihr Krankengeld für die Zeit vom 04.01.2013 bis 07.05.2013 zu bewilligen. Seit 08.05.2013 bezieht die Klägerin Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Sie hat darauf hingewiesen, dass Dr. S am 21.02.2013 nachträglich für die Zeit ab 03.01.2013 bis auf Weiteres Arbeitsunfähigkeit bescheinigt hat. Das Sozialgericht hat Unterlagen von Dr. S beigezogen und eine Auskunft vom 25.07.2013 eingeholt, in der Dr. S ausgeführt hat, die Klägerin habe sich am 03.01.2013 in seiner Sprechstunde vorgestellt. Sie sei arbeitsunfähig gewesen. Aufgrund ihrer depressiven Episode sei sie in keiner Weise in der Lage gewesen, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Er habe die Arbeitsunfähigkeit am 03.01.2013 festgestellt, aber nicht schriftlich bescheinigt, da die Klägerin angegeben habe, sich zur Verlängerung ihrer...