Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Übernahme von Kosten für Pflege zur Bedienung eines Hilfsmittels
Orientierungssatz
1. Abzüge nach § 82 Abs. 2 SGB 12 von dem nach §§ 87 Abs. 1 Satz 1, 85 Abs. 1 SGB 12 berechneten Einkommen sind in dem Monat anzurechnen, in dem sie anfallen, wenn sie als Jahresbeiträge zu zahlen sind (Parallelfall: Urteil des Senats vom 18. Februar 2011, L 1 SO 36/08).
2. Nicht abzusetzen sind dabei Kosten einer privaten Krankenversicherung, einer Auslandsreiseversicherung, Zuzahlungen nach § 61 SGB 5 sowie ein Mehrbetrag für Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 17% des Regelbetrags, weil diese Positionen der Aufzählung in § 82 Abs. 2 SGB 12 nicht zuzuordnen sind.
3. Ein Anspruch auf Übernahme von Kosten, die zur Bedienung von Hilfsmitteln anfallen, besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, weder nach § 61 SGB 12 für Behandlungspflege noch nach den Vorschriften über die medizinische Rehabilitation, noch unter dem Gesichtspunkt der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff SGB 12.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Speyer vom 19.09.2008 - S 16 SO 101/06 - abgeändert. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 04.05.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2006 und in der Fassung der Änderungsbescheide vom 12.12.2008 und 15.10.2009 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 01.04.2006 bis zum 30.04.2006 weitere Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in Höhe von 25,51 € zuzüglich 4 % Zinsen aus einem Betrag von 25,00 € ab 01.11.2006 zu gewähren.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu 1/20.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höhere Leistungen nach dem Sechsten und Siebten Kapitel des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) für die Zeit vom 01.04.2006 zum 31.08.2006. Insbesondere geht es ihr um die Berücksichtigung einer Werbungskostenpauschale, einer Kostenpauschale, der Kosten der privaten Krankenversicherung und der Auslandskrankenversicherung, die von ihr nach § 61 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) geleisteten Zuzahlungen sowie um einen Mehrbetrag für Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 17 % des Regelbetrages. Darüber hinaus begehrt sie die Berücksichtigung von Strom- und Warmwasserkosten sowie eine Möbelmiete oder Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungskosten. Ferner wendet sie sich gegen die Kürzung des Pflegegeldes um 2/3 und begehrt einen erhöhten Regelsatz nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sowie die Berücksichtigung eines erhöhten Mitgliedsbeitrages der Deutschen Heredo-Ataxie Gesellschaft (DHAG) und des Sozialverbands Deutschland (SoVD). Schließlich begehrt sie die Übernahme der Kosten zusätzlicher 30 Minuten Pflege täglich zur Benutzung ihrer Hilfsmittel.
Die 1975 geborene Klägerin leidet an dem Louis-Bar-Syndrom (Ataxia teleangiectatica). Sie hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 100% mit den Merkzeichen “B„, “G„, “aG„, "H" und ist in die Pflegestufe II der Pflegeversicherung eingestuft. Auch die Schwester der Klägerin leidet an dem Louis-Bar-Syndrom. Bei dem Louis-Bar-Syndrom handelt es sich um eine vererbte Systemerkrankung. Von dem Immundefekt sind insbesondere das Nervensystem, die Blutgefäße von Augen und Haut und das Immunsystem betroffen. Die ersten Symptome traten sowohl bei der Klägerin als auch ihrer Schwester im Kindesalter auf. Kennzeichnend für die Erkrankung sind eine zerebelläre Ataxie (u.a. Gang- und Standunsicherheit) mit Kleinhirnatrophie (Substanzschwund) vor allem im Bereich des Vermis, eine dystone Bewegungsstörung, Störungen der Augenbewegungen sowie ein physischer und später auch psychischer Entwicklungsrückstand. Die verminderte Immunkompetenz führt häufig zu wiederkehrenden Infekten, die vor allem Lunge und Nasennebenhöhlen betreffen. Darüber hinaus besteht bei Patienten mit dem Louis-Bar-Syndrom häufig eine erhöhte Inzidenz maligner Tumoren.
Die Klägerin erhält eine Rente wegen Erwerbsminderung, deren Zahlbetrag im streitigen Zeitraum vom 01.04.2006 bis zum 31.08.2006 nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge 1.502,06 € betrug. Im Mai 2006 erfolgte die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2005, wobei die Klägerin 175,85 € nachzuzahlen hatte.
Sie lebt alleine in einer ihren Eltern gehörenden und an sie vermieteten Wohnung (Gesamtkosten für Kaltmiete, Nebenkosten ≪einschließlich Wasser/Abwasser und Kaltwasseranteil im Warmwasser≫ und Stellplatz für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum: € 498,26).
Die Klägerin war (und ist) bei der AOK - Die Gesundheitskasse in Rheinland-Pfalz (Beigeladene) pflichtversichert; zudem ist sie privat krankenversichert. Ihr Vater erhält für die Klägerin Beihilfe nach der Beihilfeverordnung (BVO) des Landes Rheinland-Pfalz zu einem Beihilfesatz von 80%. Die Kosten für die die Beihilfe ergänzende private Krankenversicherung (20%-Versicherung) der Klägerin werden von dem Beklagten nicht übernommen. Die Klägerin wird dreimal täglich jeweils 2 Stunden durch eine Sozialstati...