Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung. Aufklärung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise. keine Verpflichtung der Prüfgremien zur näheren Begründung einer Einzelleistungskürzung unter Bezugnahme auf Entscheidungen zu anderen Gebührenordnungspositionen
Orientierungssatz
Da sich der Vertragsarzt in jedem Teilbereich seiner ärztlichen Tätigkeit wirtschaftlich zu verhalten hat (vgl BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 33), hängt die Entscheidung der Prüfgremien zur Wirtschaftlichkeit der Behandlung hinsichtlich einzelner Gebührenordnungspositionen nicht von der Entscheidung zu anderen Gebührenordnungspositionen ab. Deshalb besteht für die Prüfgremien keine Verpflichtung, bei ihrer Entscheidung über die Grenze des offensichtlichen Missverhältnisses und ihrer Ermessenentscheidung über die Höhe des Regresses die Entscheidungen zu einzelnen Gebührenordnungspositionen zueinander in Beziehung zu setzen.
Normenkette
SGB V § 106; SGB X § 35 Abs. 1 S. 2
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 3.4.2013 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Anschlussberufung der Beigeladenen zu 1 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge, wobei für das Berufungsverfahren auch die Beigeladene zu 1 als Gesamtschuldnerin die Kosten trägt. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist die Rechtmäßigkeit eines Honorarregresses in den Quartalen III/2005, IV/2005 und IV/2006 in Höhe von insgesamt 3.263,75 €.
Die Beigeladene zu 1 nimmt seit dem 1.7.1997 als Ärztin für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Klägerin teil. Sie führt die Zusatzbezeichnung Diabetologie. Mit Schreiben vom 29.8.2007 (Quartale III und IV/2005) und 4.7.2008 (Quartal IV/2006) informierte die Gemeinsame Prüfungseinrichtung der Krankenkassen und der Klägerin die Beigeladene zu 1 über die Einleitung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen betreffend die Quartale III/2005, IV/2005 und IV/2006.
Die Beigeladene zu 1 nahm mit Schreiben vom 15.12.2007 und 31.7.2008 Stellung. Sie machte geltend, ihre Überschreitungen im Verhältnis zu ihren Kollegen erklärten sich bei der GOP 03120 EBM-Ä (Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 Minuten, je vollendete 10 Minuten) durch die geringere “Scheinzahl„, die Betreuung von Altersheimen und eines Behindertenheimes, ihren hohen Rentneranteil und viele multimorbide Patienten mit erhöhtem Erklärungs- und Beratungsbedarf. Im Rahmen ihres Schwerpunktes Diabetologie lege sie großen Wert auf die aktive Mitarbeit der Betroffenen, weshalb wiederholte ausführliche Beratungen bezüglich Bewegungstherapie und Ernährung erforderlich seien. Die Beratungen im Rahmen psychosomatischer Erkrankungen habe sie 2005 und auch teilweise noch Anfang 2006 mit der GOP 03120 EBM-Ä abgerechnet. Die Arzneimittelkosten bei ihren Patienten seien, wohl auch aufgrund der ausführlichen Beratungen, niedrig. Hinsichtlich des Quartals IV/2006 sei ferner auf einen hohen Anteil von behandelten Kindern bis zum fünften Lebensjahr hinzuweisen.
Mit Bescheid vom 19.10.2009 beschloss der Prüfungsausschuss betreffend die Quartale III/2005 und IV/2005, hinsichtlich der GOP 03120 EBM-Ä keine Maßnahme zu treffen. Auch hinsichtlich der GOP 01413 EBM-Ä (Mitbesuche) erfolgte wegen offener abrechnungstechnischer Fragestellungen bzw unter Berücksichtigung der Heimbetreuung keine Maßnahme. Hinsichtlich der GOP 03311 EBM-Ä (Ganzkörperstatus) und 03320 EBM-Ä (EKG) erfolgte eine Kürzung auf den gewichteten Fachgruppendurchschnitt + 100 %. Die Regresssumme betrug 2.346,97 €. Gegen diesen Prüfbescheid legte die Beigeladene zu 1 Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 23.8.2010 setzte der Prüfungsausschuss betreffend das Quartal IV/2006 hinsichtlich der GOP 03120 EBM-Ä unter Berücksichtigung eines Bonus von 10 % für die Praxisbesonderheit “Behandlung von Diabetespatienten„ einen Regress ausgehend von der Kürzung auf den gewichteten Fachgruppendurchschnitt + 60 vH fest. Die Regresssumme betrug insoweit 1.049,95 €. Gegen diesen Prüfbescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie beanstandete, dass der Prüfbescheid keine Angaben zu den relevanten Daten beinhalte; außerdem enthalte der Bescheid keine Aussage dazu, inwiefern sich ein medizinischer Sachverständiger mit den Äußerungen der Beigeladenen zu 1 auseinandergesetzt habe; die Berechnung der festgesetzten Kürzungssumme sei nicht nachvollziehbar.
In der Sitzung des Beklagten vom 4.5.2011 legte die Klägerin Übersichten zu Diagnosen der Praxis der Beigeladenen zu 1 betreffend das Quartal IV/2006 vor. Die Beigeladene zu 1 legte eine Patientenliste “Altersheim-Patienten„ für die Quartale III/2005 und IV/2005 und eine Patientenliste “Ganzkörperstatus„ für das Quartal IV/2006 vor. Der Beklagte gab mit Bescheid vom 30.8.2011 dem Widerspruch der Beigeladenen...