Leitsatz (amtlich)

Auf verspätete Stellung eines Antrags auf Eingliederungsbeihilfe (AFG § 54 in Verbindung mit AFdA § 4) kann sich die beklagte Bundesanstalt für Arbeit berufen, wenn der Arbeitgeber einen schwer zu vermittelnden Arbeitsuchenden ausschließlich aufgrund von Erwägungen eingestellt hat, die außerhalb des Förderungszweckes liegen.

 

Normenkette

AFG § 54 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1976-01-01; AFdA § 4 Fassung: 1969-12-19

 

Verfahrensgang

SG Koblenz (Urteil vom 16.06.1978; Aktenzeichen S 3 Ar 282/77)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.07.1980; Aktenzeichen 7 RAr 35/79)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 16. Juni 1978 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit der Berufung begehrt der Kläger weiterhin Eingliederungsbeihilfe gemäß § 54 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) für die ab 1. März 1977 wöchentlich 30 Stunden bei ihm beschäftigte Büroangestellte K. M.

Der 1920 geborene Kläger ist selbständiger Steuerberater. Er ist Schwerbehinderter mit einer anerkannten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 %. Er ist außergewöhnlich gehbehindert. Infolge seines schlechten Gesundheitszustandes kann er nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen und hat deshalb entsprechende Vergünstigungen bei Rundfunk- und Fernsprechgebühren.

Die 1928 geborene Frau M. bezog mit krankheitsbedingter Unterbrechung von Anfang 1976 bis Mitte Januar 1977 vom Arbeitsamt Koblenz Arbeitslosengeld, war aber damals schon aushilfsweise für wöchentlich 12 Stunden beim Kläger beschäftigt. Wegen der Betreuung ihres schwerbehinderten, halbseitig gelähmten Ehemannes kann sie keine Vollzeitbeschäftigung ausüben. Zahlreiche Vermittlungsvorschläge des Arbeitsamtes, während ihrer einjährigen Arbeitslosigkeit blieben ohne Erfolg.

Den am 29. März 1977 gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung von Eingliederungsbeihilfe in Höhe von 80 % des ortsüblichen Arbeitsentgelts von 1.000,– DM für 24 Monate lehnte das Arbeitsamt mit Bescheid vom 28. Juni 1977 und Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 1977 als verspätet ab. Gemäß § 4 der Anordnung des Verwaltungsrates der Beklagten über die Förderung der Arbeitsaufnahme (AFdA) sei der Antrag vor Beginn des Arbeitsverhältnisses zu stellen, dessen Forderung begehrt werde. Ein begründender Einzelfall, bei dem eine Antragstellung noch binnen eines Monats nach der Einstellung möglich sei, liege nicht vor. Es sei insbesondere nicht ersichtlich, daß der Kläger den Antrag nicht trotz seiner Behinderung wenigstens am Tag der Einstellung oder am Tag danach persönlich oder durch einen Beauftragten hätte stellen können.

Mit der Klage hat der Kläger, wie schon im Widerspruchsverfahren geltend gemacht, es widerspreche Sinn und Zweck des Schwerbehindertengesetzes, wenn die Beklagte sich ihm gegenüber auf Fristversäumnis berufe. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, daß die AFdA weithin unbekannt sei und er nicht wie andere Arbeitgeber bei Einstellung eines Arbeitslosen durch Vermittlung des Arbeitsamtes auf die bestehenden Förderungsmöglichkeiten hingewiesen worden sei. Er habe erst auf seine telefonische Antrage vom 29. März 1977 vom Arbeitsamt erfahren, daß beim Übergang von geringfügiger Aushilfsbeschäftigung zu längerer Teilzeitarbeit Eingliederungsbeihilfe gewährt werden könne. Daraufhin habe er diese unverzüglich beantragt. Er habe Frau M. wegen seiner schweren Erkrankung als Teilzeitarbeitskraft einstellen müssen.

Das Sozialgericht Koblenz hat die Klage mit Urteil vom 16. Juni 1978 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen dieses dem Kläger am 27. Juni 1978 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung vom 25. Juli 1978. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, das angefochtene Urteil befasse sich nicht mit der Frage, wann ein begründeter Einzelfall im Sinne des § 4 Abs. 2 AFdA vorliege. Da die dort genannte Monatsfrist nach § 4 Abs. 3 AFdA zur Vermeidung unbilliger Härten sogar noch verlängert werden könne, müsse Abs. 2 jedenfalls Anwendung finden, wenn, wie hier, alle sonstigen Leistungsvoraussetzungen erfüllt und der Antrag nicht infolge grober Nachlässigkeit bereits vor Beginn des Arbeitsverhältnisses gestellt worden sei. Die Fristversäumnis beruhe auf seiner besonderen beruflichen und gesundheitlichen Belastung. Er sei der alleinige Leiter seines Steuerberatungsbüros. Anfang 1977 habe er noch erheblich unter Nachwirkungen eines im Jahre 1976 durchgemachten Herzinfarktes gelitten. Unter diesen Umständen treffe ihn kein Verschulden an der verspäteten Antragstellung. Bei einem Steuerberater könne auch keine Kenntnis der von der Beklagten erlassenen Anordnungen vorausgesetzt werden. Abgesehen davon, sei die AFdA erst am 1. Mai 1977 in Kraft getreten.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die streitig...

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