Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 07.08.1990; Aktenzeichen S 6 J 55/90) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird die Klage in Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Speyer vom 7.8.1990 abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Versichertenrente nach der Reichsversicherungsordnung (RVO).
Die 1931 geborene Klägerin verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Sie war nach ihren Angaben im grünen Zusatzfragebogen zur Feststellung der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit von 1950 bis 1952 als Arbeiterin in einer Glühlampenfabrik, von 1953 bis 1954 als Arbeiterin in einer Strickerei, von 1957 bis 1960 als Arbeiterin in einer Wäscherei und ab 1964 als Postzustellerin versicherungspflichtig beschäftigt. Sie ist seit März 1989 arbeitsunfähig erkrankt.
Nach den Auskünften des Postamtes L. vom 17.4. und 13.6.1990 war die Klägerin vom 15.8.1964 bis zu ihrem Ausscheiden am 31.8.1989 im Zustelldienst eingesetzt. Hierfür wurde sie eine Woche angelernt. Vom 15.8.1964 bis 30.6.1981 war sie in der vereinigten Zustellung (Brief- und Paketzustellung), vom 1.7.1981 bis 31.8.1989 in der Briefzustellung tätig. Hierzu mußte sie die für den Zustelldienst einschlägigen postalischen Bestimmungen und Vorschriften beherrschen. Die Entlohnung richtete sich, da sie einen Arbeitsposten für Beamte inne hatte, nach der tarifvertraglichen Bewertung des Arbeitspostens. Vom 1.10.1966 an wurde die Klägerin durch Zahlung einer Tätigkeitszulage als Unterschiedsbetrag zwischen dem Tabellenlohn „angelernte Arbeiter” und „Facharbeiter” als Facharbeiterin entlohnt. Ab 1.5.1982 wurde sie in die Lohngruppe „Facharbeiter” II nach dem damaligen TV 367, heutiger TV 382 entlohnt, weil sie das 50. Lebensjahr vollendet hatte und ununterbrochen fünf Jahre auf Arbeitsposten für Beamte beschäftigt war.
Im Juli 1989 beantragte die Klägerin die Gewährung der Versichertenrente und legte zur Begründung ein Attest des Allgemeinmediziners F. vom 10.7.1989 vor, wonach sie wegen einer schweren degenerativen Wirbelsäulenerkrankung und eines depressiven Syndroms nicht mehr erwerbsfähig sei.
Aus einem vom 10.5. bis 7.6.1988 durchgeführten stationären Heilverfahren wurde die Klägerin als arbeitsfähig mit sieben Tagen Schonungszeit entlassen. Bei der Entlassung wurden folgende Diagnosen gestellt: Chronisches Wirbelsäulensyndrom bei mäßiger Kyphoskoliose, Periarthropathia humero scapularis beidseits, Insertionstendinosen am Trochanter major beidseits, Chondropathia patellae beidseits, Arthralgien der Sprunggelenke. Bei einer vertrauensärztlichen Begutachtung durch Dr. C. am 6.7.1989 wurden ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom und eine Involutionsdepression diagnostiziert. Der Gutachter hielt die Klägerin für die Zeit ab dem 17.7.1989 wieder für arbeitsfähig. Im von der Beklagten beigezogenen Befundbericht vom 14.11.1989 diagnostizierte der Neurologe, Psychiater und Psychotherapeut Dr. B. ein chronisches Halswirbelsäulensyndrom sowie eine akzentuierte Persönlichkeit mit psychosomatischen Beschwerden, bei denen zusätzlich bewußtseinsnahe Faktoren eine Rolle spielten. Im von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 20.12.1989 stellte der Chirurg G. folgende Diagnosen:
- „WS-Syndrom bei hohlrunder Rückenfehlform und Linksskoliose im thorakolumbalen Übergang mit Rückenmyalgien. Chron. rezidiv. Cervicalsyndrom mit Cephalgien.
- Beginnende Verschleißerscheinungen der Hüft- und Kniegelenke, Chondropathia patellae bds.
- Subdepressive Stimmungslage, Neigung zu psychosomatischen Reaktionen bei akzentuierter Persönlichkeit. Vegetative Unausgeglichenheit.
- Anamnestisch Z.n. Ulcus duodeni, Reizmagen.”
Er hielt die Leistungsfähigkeit der Klägerin insoweit für eingeschränkt, als schwere und auch mittelschwere Arbeiten nicht mehr zuzumuten seien. Leichte körperliche Arbeiten in temperierten Räumen könne die Klägerin jedoch noch in wechselnder Körperhaltung und unter Beachtung der übrigen in seinem Gutachten genannten Einschränkungen vollschichtig in Normal Schicht verrichten. Sie könne auch öffentliche Verkehrsmittel zum Erreichen der Arbeitsstätte benutzen. Der hierbei zurückzulegende Fußweg unterliege derzeit noch keinen über die Norm hinausgehenden Einschränkungen. Das Fehlen von Reizzuständen im Bereich der Beingelenke beweise, daß zur Zeit der Begutachtung zumindest eine ausreichende Kompensation des Knorpelschadens in den Gelenken eingetreten sei, so daß eine entsprechende Belastbarkeit für eine Gehstrecke über 2 km bzw eine halbe Stunde Gehzeit angenommen werden könne. In der bisher ausgeübten Tätigkeit als Postzustellerin hingegen könne die Klägerin nur noch unterhalbschichtig tätig sein.
Mit Bescheid vom 12.1.1990 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag der Klägerin auf Gewährung der Versichertenrente ab, weil sie auf dem für sie in Betracht kommenden allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig leichte körperliche Arbeiten verrichten könne und daher wede...