Entscheidungsstichwort (Thema)
Alterssicherung der Landwirte. Beitragserstattung. Mitgliederzeitschrift. Ausschluß. Sperrklausel. Zwei-Jahres-Frist. Wiedereinsetzung. Beratungspflicht im Hinblick auf künftige Rechtsänderungen. Verkündung. Rechtsänderung. Allgemeine Aufklärung
Orientierungssatz
1. Erfüllt ein Versicherter dem Grunde nach die Voraussetzungen für eine hälftige Beitragserstattung nach § 75 ALG iVm § 76 Abs 1 S 1 ALG, so steht dem die Sperrwirkung des § 117 Abs 2 ALG nicht entgegen.
2. In Abweichung zum Recht des GAL hat das ALG den Anspruch auf Beitragserstattung für rechtmäßig entrichtete Beiträge im Hinblick auf das in der Vergangenheit getragene Risiko (Anspruch auf Erwerbsminderungsrente und Rehabilitationsleistungen) grundsätzlich auf die Hälfte der Beiträge begrenzt, die der Versicherte selbst getragen hat (§ 76 Abs 1 S 1 ALG).
3. Nach der Übergangsregelung des § 117 Abs 1 ALG kann noch der volle Betrag der gezahlten Beiträge erstattet werden. Dies muß allerdings innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach dem Ende der Beitragspflicht - anstelle eines Antrags auf Weiterentrichtung von Beiträgen - beantragt werden.
4. Die Zwei-Jahres-Frist des § 117 Abs 1 ALG ist eine materiell-rechtliche Ausschlußfrist; bei Versäumung ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Abs 5 SGB 10 nicht möglich.
5. Im Rahmen der ihnen obliegenden Beratungspflicht (vgl § 14 SGB 1) sind Versicherungsträger nicht verpflichtet, auf geplante künftige Rechtsänderungen - jedenfalls vor Verabschiedung des in Aussicht genommenen Gesetzes - hinzuweisen. Aber auch nach Verkündung eines Rechtsänderungsgesetzes kann vom Versicherungsträger nicht verlangt werden, daß er - unabhängig von einer konkreten Bearbeitung eines Versicherungsfalles - den gesamten Versichertenbestand von Amts wegen dahin überprüft, für welche Person die Neuregelung womöglich nachteilige Folgen haben kann. Es genügt insoweit die allgemeine Aufklärung über Rechtsänderungen, wie sie von den Versicherungsträgern
Verfahrensgang
SG Koblenz (Urteil vom 07.07.1998; Aktenzeichen S 3 Lw 7/98) |
Nachgehend
Tenor
1. Das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 7.7.1998 und der Bescheid der Beklagten vom 8.4.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.2.1998 werden abgeändert und die Beklagte verurteilt, die Hälfte der in der Zeit vom 1.5.1965 bis zum 30.11.1993 gezahlten Beiträge nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu erstatten.
2. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren nur noch über die Erstattung der vom Kläger von Mai 1965 bis November 1993 geleisteten Beiträge.
Der am … 1937 geborene Kläger war ab Mai 1965 als landwirtschaftlicher Unternehmer tätig und entrichtete Beiträge zur Alterskasse der rheinischen Landwirtschaft, der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Nach Aufgabe der Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer zum 11.11.1993 wurde mit Bescheid vom 21.4.1994 der Bescheid über seine Aufnahme in das Mitgliederverzeichnis der Alterskasse vom 14.7.1965 aufgehoben und das Ende der Beitragspflicht zum 30.11.1993 festgestellt. Diesem Löschungsbescheid war eine Anlage beigefügt, in der auf die Voraussetzungen einer Rentengewährung, die Möglichkeit einer Weiterentrichtung freiwilliger Beiträge und eine mögliche Beitragserstattung nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) hingewiesen wurde. Gleichlautende Hinweise waren dem Kläger auch schon mit Schreiben vom 4.3.1994 erteilt worden.
Erstmals am 13.5.1996 wandte sich der Kläger bezüglich eines Rentenanspruches wegen Erwerbsunfähigkeit an die Alterskasse der rheinischen Landwirtschaft. Er gab in der Folge an, er habe seit dem 6.6.1995 wegen Arbeitsunfähigkeit nicht mehr gearbeitet und beziehe seit dem 1.1.1996 Erwerbsunfähigkeitsrente von der Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz. Der Rentenantrag wurde mit bindend gewordenem Bescheid vom 5.11.1996 abgelehnt, weil der Kläger die Wartezeit von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nicht erfüllt habe, auf die die vor dem 1.1.1995 zurückgelegten Beitragszeiten wegen der Beitragslücke nach dem 30.11.1993 gemäß der Regelung des § 90 Abs. 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) nicht anzurechnen seien.
Unter Bezugnahme auf die Belehrung im Schreiben vom 4.3.1994 beantragte der Kläger nunmehr mit Schreiben vom 15.11.1996 die Beitragserstattung, welche die Beklagte mit Bescheid vom 8.4.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.2.1998 ebenso ablehnte wie den während des Widerspruchsverfahrens gestellten Überprüfungsantrag gegen den Bescheid vom 5.11.1996 (Bescheid vom 11.8.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.2.1998). Zur Begründung ist ausgeführt, die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente sei zu Recht abgelehnt word...