Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhendstellung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei Bezug einer Entschädigung nach dem Abgeordnetenstatut des Europäischen Parlaments. Verfassungsmäßigkeit der Ruhensregelung nach § 29 Abs 2 AbgG. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 5 R 32/16 R

 

Orientierungssatz

1. Bei Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung handelt es sich um Bezüge aus öffentlichen Kassen, die iS des § 13 Abs 3 S 1 EuAbgG auf Bundesrecht beruhen.

2. Zur Qualifizierung der gesetzlichen Rentenversicherung als öffentliche Kasse.

3. Die gem § 13 Abs 3 S 1 EuAbgG vorzunehmende sinngemäße Geltung des § 29 AbgG führt dazu, dass Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung neben der Entschädigung nach dem Abgeordnetenstatut des Europäischen Parlaments vom 28.9.2005 (EGBes 684/2005) zu 80 % (bzw nunmehr zu 50 %) ruhen.

4. Die Vorschrift des § 29 Abs 2 S 2 AbgG (hier: idF vom 21.12.2004) verstößt nicht gegen das GG (so auch LSG München vom 27.11.2014 - L 14 R 457/14 = juris RdNr 40 und L 14 R 741/12 = juris RdNr 27).

5. Bei der Anrechnung bzw teilweise Ruhendstellung hat auch nicht zwingend zumindest derjenige Teil der Altersrente außer Ansatz zu bleiben, der auf Arbeitnehmerbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung beruht oder auf eine Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes zurückzuführen ist.

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 24.10.2013 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des teilweisen Ruhens von Ansprüchen auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung während des gleichzeitigen Bezugs einer Entschädigung als Mitglied des Europäischen Parlaments.

Der im Oktober 1945 geborene Kläger war von Juli 2009 bis Ende Juni 2014 Mitglied des 7. Europäischen Parlaments. Von Juni 1971 bis Ende 2006 war er abhängig beschäftigt und legte Pflichtversicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurück.

Am 16.04.2010 stellte der Kläger einen Antrag auf Versichertenrente, wobei er im Formblatt der Beklagten (R 100) die Frage (10.4) bejahte, ob er ab Rentenbeginn Entschädigungen (Diäten) für Abgeordnete erhalten werde. Mit Bescheid vom 09.06.2010 setzte die Beklagte eine Regelaltersrente, beginnend am 01.11.2010 fest. Zur Berechnung wurde ausgeführt, die persönlichen Entgeltpunkte betrügen 63,3940, woraus sich bei einem aktuellen monatlichen Rentenwert von 27,20 Euro ein Rentenbetrag von 1.724,32 Euro errechne. Zuzüglich eines Beitragszuschusses zur Krankenversicherung in Höhe von 163,42 Euro ergebe sich ein monatlicher Zahlbetrag von 1.806,03 Euro. Unter Bezugnahme auf die im Rentenbescheid auf Seite 4 genannten Mitteilungspflichten wies der Kläger im Schreiben vom 19.06.2010 die Beklagte ausdrücklich darauf hin, dass er Europaabgeordneter sei und „eine Diät“ erhalte.

Mit „Rentenbescheid“ vom 27.07.2010 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, dessen bisherige Regelaltersrente werde ab 01.11.2010 „neu berechnet“. Für die Zeit ab 01.11.2010 würden laufend monatlich 369,00 Euro gezahlt. Als Grund für die „Neuberechnung“ der Rente wurde angegeben, die mit der Rente zusammentreffenden anderen Ansprüche hätten sich „geändert“. Die Berechnung der Rente unter Berücksichtigung der Vorschriften über das Zusammentreffen mehrerer Ansprüche werde in der Anlage 1 dargestellt. Ab 01.11.2010 würden eine monatliche Rente von 344,86 Euro sowie ein Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 24,14 Euro gezahlt. Der monatliche Zahlbetrag sei 369,00 Euro. In Anlage 1 des Bescheids zur Berechnung der Monatsrente ist angegeben, die monatliche Rente von 1.724,32 Euro vermindere sich wegen des Zusammentreffens mehrerer Ansprüche gemäß Anlage 7 auf 344,86 Euro. In Anlage 7 des Bescheids wird mitgeteilt, dass die Rente von 1.724,32 Euro mit einer Abgeordnetenentschädigung zusammen treffe und sich daher um den in den beigefügten Berechnungsanlagen ermittelten ruhenden Betrag von 1.379,46 Euro mindere. Der Anlage 10 des Bescheids zur ergänzenden Begründung und Hinweisen ist zu entnehmen, dass der Monatsbetrag der Regelaltersrente von 1.724,32 Euro zu 80 % gemäß § 29 Abs. 2 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz - AbgG) ruhe; 80 % von 1.724,32 Euro ergäben abzuziehende 1.379,46 Euro, was zu einem monatlichen Betrag von 344,86 Euro führe.

Am 29.07.2010 legte der Kläger Widerspruch gegen den Rentenbescheid vom 27.07.2010 ein und trug zur Begründung vor, die in den Anlagen 7 und 10 des Rentenbescheids angegebenen Gründe würden nicht zutreffen, da seine Rente nicht den „Versorgungsansprüchen aus einem Amtsverhältnis oder aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst“ entspreche. Er habe aus eigenem Einkommen 126.432,42 Euro eingezahlt und sein Arbeitgeber ebenfalls. Nach dem 65. Lebensjahr habe er Anspruch auf Altersrente ohne dass diese durch a...

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