Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslohn. Übernahme von Verwarnungsgeldern. Beitragspflicht von vom Arbeitgeber (Speditionsunternehmen) für seine Arbeitnehmer (Fahrer) wegen Verstoßes gegen güterverkehrsrechtliche Bestimmungen übernommenen Verwarnungs- bzw Bußgeldern. Arbeitsentgelt. Eigenbetriebliches Interesse
Leitsatz (amtlich)
1. Übernimmt ein Arbeitgeber des Speditionsgewerbes Verwarnungsgelder, die gegen die bei ihm beschäftigten Disponenten und Fahrer wegen des Verstoßes gegen güterverkehrsrechtliche Bestimmungen verhängt worden sind, ist diese Zuwendung kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, wenn aufgrund einer Gesamtbetrachtung das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers ganz im Vordergrund stand und er deswegen die Anweisung an seine Beschäftigten gegeben hat, entsprechende güterverkehrsrechtliche Vorschriften außer Acht zu lassen.
2. Für die Beurteilung der betriebsfunktionalen Zielsetzung der Zuwendung ist ohne Belang, ob das Verhalten des Arbeitgebers von der Rechtsordnung zu billigen ist.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 9.9.2008 und der Bescheid der Beklagten vom 5.7.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.12.2005 aufgehoben, soweit darin Sozialversicherungsbeiträge für übernommene Zahlungen von Buß- und Verwarngeldern der Beschäftigten gefordert wurden.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Bei der Klägerin, die eine Spedition betreibt, wurde von der Beklagten in der Zeit vom 16.2. bis 11.5.2000 an insgesamt fünf Tagen eine Betriebsprüfung durchgeführt. Nach der Schlussbesprechung am 11.5.2000 machte die Beklagte mit Bescheid vom 5.7.2000 insgesamt eine Beitragsnachforderung in Höhe von 37.136,82 DM geltend, die sich aus bisher nicht berücksichtigten Jubiläumszuwendungen an Arbeitnehmer der Klägerin, aus von ihr bezahlten Geldbußen im Wesentlichen wegen Lenkzeitüberschreitungen, nicht mit geführter Genehmigungsurkunden und Fahrtenbücher, fehlender Tachoscheiben, Verkehrsverbot auf Autobahnen, Nichteinhaltung von Ruhezeiten, Nichtentrichtung der Maut, im Zeitraum von 1996 bis 1999, die gegen bei ihr beschäftigte Kraftfahrer und Disponenten verhängt worden waren, und aus Kraftfahrern gezahlten steuerpflichtigen Abwesenheitsgeldern ergab. Dabei hatten der Beklagten die einzelnen Bußgeldbescheide vorgelegen, so dass insoweit eine personenbezogene Zuordnung möglich war. Hinsichtlich der zeitlichen Zuordnung wurde dabei jeweils auf den Monat abgestellt, in dem die verschiedenen Bußgeldbescheide ergangen waren.
Für die Beigeladenen zu 1. - 38. hatte die Klägerin wegen Verkehrsverstößen Bußgelder bezahlt, wie aus der Anlage zum Bescheid vom 5.7.2000 ersichtlich. Zu der Zuordnung im Einzelnen und der Art der Verkehrsverstöße nimmt der Senat Bezug auf die Aufstellung der Beklagten Bl 640 - 650 der Prozessakte.
Die Klägerin legte bezüglich der Behandlung der von ihr übernommenen Bußgelder als beitragspflichtiger Arbeitslohn Widerspruch ein, weil die Bezahlung der Bußgelder nicht durch das jeweilige Arbeitsverhältnis veranlasst worden sei, sondern im überwiegenden Arbeitgeberinteresse gelegen habe.
Im Hinblick auf ein Verfahren VI R 29/2000 beim Bundesfinanzhof (BFH) wurde das Widerspruchsverfahren zunächst auf Antrag der Klägerin ausgesetzt und nach dem Urteil des BFH vom 7.7.2004 in dem Verfahren VI R 29/2000 wieder aufgenommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Koblenz (SG) hat die Klägerin vorgetragen, die Bußgelder seien nach § 1 Arbeitsentgeltverordnung als einmalige Einnahmen nicht dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt zuzuordnen, weil es sich um lohnsteuerfreie Zuwendungen des Arbeitgebers handele, die er im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse gewährt habe, da die Bußgelder durch das betriebliche Interesse der Klägerin, ihre Liefertermine pünktlich einzuhalten, angefallen seien. Dieses betriebliche Interesse habe im Hinblick auf die Konkurrenzsituation im Speditionsgewerbe im Vordergrund gestanden. Es bestehe letztlich kein wesentlicher Unterschied zu dem dem Urteil des BFH vom 7.7.2004 zugrunde liegenden Fall. Außerdem seien die Bußgeldbescheide fast ausschließlich gegen die Disponenten S , S und H ergangen, wie sich aus den dem Schriftsatz vom 27.6.2007 beigefügten Kopien von Bußgeldbescheiden ergebe.
Das SG hat vom Finanzamt A die Lohnsteuerakten und drei Bände Rechtsbehelfsakten betreffend die Klägerin beigezogen und hat mit Urteil vom 9.9.2008 die Klage auf insoweitige Aufhebung des Bescheids vom 5.7.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.12.2005, als die von der Klägerin übernommenen Buß- und Verwarngelder als sozialversicherungspflichtiges Entgelt angesehen wurden, als unbegründet abgewiesen. Die von der Klägerin übernommenen Buß- und Verwarngelder seien ...