Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit der Berufung. Höhe des Beschwerdewerts. Krankengeldanspruch. Berücksichtigung der Erfüllungswirkung durch gezahltes Arbeitslosengeld
Leitsatz (amtlich)
Macht der Kläger einen Anspruch auf Krankengeld geltend, wird der Beschwerdewert iS des § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG nicht dadurch verringert, dass der Kläger für denselben Zeitraum Arbeitslosengeld erhalten hatte und dadurch teilweise Erfüllungswirkung nach § 107 SGB X eingetreten ist (offengelassen von BSG vom 23.2.2011 - B 11 AL 15/10 R = SozR 4-3250 § 51 Nr 2).
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 11.1.2016 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist ein Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 1.2.2014 bis zum 31.3.2014.
Der 1957 geborene Kläger hatte zuletzt als Stahlbauschlosser gearbeitet. Seit dem 21.10.2013 bescheinigte ihm sein behandelnder Arzt wegen Gonarthrose rechts, Lumboischialgie und Bluthochdruck Arbeitsunfähigkeit. Vom 28.12.2013 bis 31.1.2014 stellten die Ärzte B und Kollegen Arbeitsunfähigkeit fest. Die Beklagte gewährte dem Kläger Krankengeld. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 31.12.2013 beendet. Ein Arzt im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) führte in einer Kurzstellungnahme nach Aktenlage vom 22.1.2014 aus, ab dem 1.2.2014 könne wieder von einem positiven Leistungsbild ausgegangen werden. Mit Bescheid vom 22.1.2014 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, am 31.1.2014 endeten dessen Arbeitsunfähigkeit und der Anspruch auf Krankengeld. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein.
In der Akte der Beklagten befindet sich ein Aktenvermerk der Mitarbeiterin der Beklagten K M vom 29.1.2014, in dem es heißt: "Habe heute den Widerspruch von Herrn D zur Niederschrift aufgenommen. Habe ihn auch nochmals über die Notwendigkeit der Nahtlosigkeit der AU‚s informiert (wie auch schon am 23.12.2013). Des Weiteren habe ich ihm mitgeteilt, dass wir auch während des Widerspruchsverfahrens weitere Krankmeldungen benötigen und er auch eine ärztliche Begründung für den Widerspruch bringen muss."
In einer handschriftlichen Stellungnahme eines Arztes im MDK vom 29.1.2014 heißt es, aus den vom Kläger nachgereichten Unterlagen sei nicht zu entnehmen, dass bei diesem kein positives Leistungsvermögen gegeben sei. Für die Zeit ab dem 1.2.2014 erhielt der Kläger von der Beigeladenen Arbeitslosengeld (Bescheid vom 20.3.2014). Am 10.3.2014 bescheinigten die Ärzte B und Kollegen dem Kläger erneut Arbeitsunfähigkeit. In der Zeit danach erfolgten weitere ärztliche Feststellungen von Arbeitsunfähigkeit. In ihrem Gutachten vom Februar 2014 (persönliche Untersuchung am 18.2.2014) gelangte die Ärztin im MDK F zu dem Ergebnis, beim Kläger bestehe kein positives Leistungsbild für seine frühere Tätigkeit; er leide insbesondere an einer Lumboischialgie und einer Myalgie (Beckenregion, Oberschenkel). Seit dem 1.4.2014 bezieht der Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz.
Der Kläger machte im Widerspruchsverfahren geltend, er habe am 29.1.2014 persönlich bei der zuständigen Sachbearbeiterin der Beklagten, K M , vorgesprochen, die ihm zuvor bei der Abfassung des Widerspruchs behilflich gewesen sei. Diese habe ihn nicht darauf hingewiesen, während des Widerspruchsverfahrens weiterhin Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen; auch wegen ihrer Hilfe bei der Einlegung des Widerspruchs habe sie bei ihm den Eindruck erweckt, er habe alles zu seiner Rechtswahrung Erforderliche getan. Bei der Agentur für Arbeit habe man ihm gesagt, weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien nicht erforderlich.
Durch Widerspruchsbescheid vom 29.7.2014 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.1.2014 zurück. Zur Begründung führte sie aus: Der Kläger habe für die Zeit ab dem 1.2.2014 keinen Anspruch auf Krankengeld, da es an der erforderlichen erneuten ärztlichen Feststellung von Arbeitsunfähigkeit spätestens am 31.1.2014 fehle. Ihre zuständige Mitarbeiterin habe ihn bei Einreichung des Widerspruchs am 29.1.2014 persönlich darüber informiert, dass er sich, sofern er sich weiterhin für arbeitsunfähig halte, nahtlose Krankmeldungen ausstellen lassen müsse.
Am 27.8.2014 hat der Kläger Klage erhoben und ua geltend gemacht: Ihm stehe in Bezug auf die fehlende erneute Arbeitsunfähigkeitsfeststellung spätestens am 31.1.2014 ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu. Weder bei seiner Vor-sprache am 29.1.2014 noch anlässlich des vorherigen Telefonats am 23.12.2013 habe ihm die zuständige Mitarbeiterin der Beklagten mitgeteilt, dass eine ununterbrochene ärztliche Feststellung von Arbeitsunfähigkeit erforderlich sei. Bei seiner Vorsprache am 29.1.2014 sei ihm kein neuer Auszahlungsschein für Krankengeld ausgehändi...