Verfahrensgang
SG Koblenz (Urteil vom 26.06.1990; Aktenzeichen S 3 J 439/89) |
Nachgehend
Tenor
1. Das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 26.6.1990 wird aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 8.2.1989 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.6.1989 verurteilt, der Klägerin ab 1.12.1988 Witwenrente nach § 1265 RVO zu gewähren.
2. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die am … 1928 geborene Klägerin begehrt die Gewährung von Geschiedenen-Witwenrente nach dem Tod ihres ersten geschiedenen und bei der Beklagten versichert gewesenen Ehemanns E. W.
Die Ehe der Klägerin mit dem 1924 geborenen Versicherten E. W. wurde am 7.6.1971 durch Urteil des Landgerichts Landau aus Alleinverschulden des Versicherten geschieden. Laut Protokoll der mündlichen Verhandlung verzichteten sie gegenseitig auf Unterhalt einschließlich des Notbedarfs. Die Klägerin erhielt die elterliche Sorge über das gemeinsame Kind B. A. geboren am … 1957.
Der Versicherte starb zwischen dem … und … 1971. Er war zur Zeit der Scheidung und seines Todes arbeitslos. Die Klägerin war damals als Kantinenhilfe beim Berufsförderungswerk M. bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von DM 935 beschäftigt.
Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Hinterbliebenenrente vom Dezember 1971 und die Klage zum Sozialgericht Speyer blieben erfolglos. Das Sozialgericht führte aus, es könne dahingestellt bleiben, ob der Unterhaltsverzicht gültig sei oder nicht. Die Klägerin erfülle schon nicht die in § 1265 RVO geforderten Voraussetzungen. Denn der Versicherte habe nach der Scheidung keinen Unterhalt geleistet. Ein Unterhaltsanspruch wäre nicht wegen der Vermögens- und Erwerbsverhältnisse, sondern wegen des eigenen Einkommens der Klägerin entfallen.
In zweiter Ehe war die Klägerin vom 11.7.1975 bis zu ihrer Scheidung am 6.5.1982 mit Klaus D. H. verheiratet.
Im Dezember 1988 beantragte sie erneut bei der Beklagten die Gewährung von Hinterbliebenenrente unter Hinweis auf die geänderte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Die Beklagte lehnte diesen Antrag aber ab. Sie verwies darauf, daß nach der Auffassung des 4. Senats des Bundessozialgerichts ein Unterhaltsverzicht nur dann einem Rentenanspruch nicht entgegenstünde, wenn der Verzicht ausschließlich wegen der Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse oder wegen der Erträgnisse der früheren Ehefrau aus einer Erwerbstätigkeit erklärt worden sei. Dies sei bei ihr nicht der Fall gewesen, denn sie habe auf Unterhalt verzichtet, weil sie ihr früherer Ehemann bedroht habe und weil sie von dem immer mehr dem Alkohol verfallenden Versicherten habe loskommen wollen.
Auch das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Speyer hat die Klägerin vorgetragen, der Unterhaltsverzicht sei wegen ständiger Morddrohungen des ersten Ehemannes erfolgt. Er habe aber im Zeitpunkt der Scheidung bereits seine Arbeitsstelle als Hausmeister verloren und nur noch über ein Arbeitslosengeld in Höhe von 700 DM monatlich verfügt. Sie habe bereits ab Januar 1971 DM 700 netto im Monat verdient. Sie habe nicht davon ausgehen können, irgendwann von ihrem Ehemann noch einmal Unterhaltszahlungen zu bekommen. Es sei wirklichkeitsfremd anzunehmen, daß ein Unterhaltsverzicht anläßlich einer Scheidung von einem dem Alkoholismus verfallenen Ehepartner lediglich aus rein finanziellen Gründen erklärt werden könne. Es werde letztlich immer ein Motivationsbündel vorliegen, weshalb es nur darauf ankommen könne, ob verständige Gründe aus der finanziellen Situation der Ehepartner heraus mitbestimmend gewesen seien.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zu Protokoll erklärt, ihr Ehemann habe sich nur zur Scheidung bereit erklärt, weil sie auf Unterhalt verzichtet habe. Sie habe sich aber auch gedacht, daß sie keinen Unterhalt von ihm erwarten könne.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Wesentliche Ursache für den von der Klägerin erklärten Unterhaltsverzicht sei es gewesen, den Versicherten überhaupt zu der gewünschten Scheidung zu bewegen. Der Versicherte sei dem Alkohol sehr stark verfallen gewesen und habe sie ständig bedroht. Der Gedanke, daß sie in Anbetracht der Alkoholkrankheit des Versicherten sowieso keinen Unterhalt von ihm erwarten könnte, sei lediglich untergeordneter Natur gewesen und habe ihr die Verzichtserklärung erleichtert. Den wirtschaftlichen Verhältnissen der Eheleute sei keine gleichwertige, sondern allein sekundäre Bedeutung zugekommen.
Gegen das am 4.7.1990 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 1.8.1990 Berufung eingelegt.
Sie trägt vor: Der zunehmende Alkoholmißbrauch sei der Grund dafür gewesen, daß der Versicherte im Sommer 1970 seine Arbeit verloren habe. Er sei erfolglos in der pfälzischen Landesnervenklinik in K. behande...