Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. kein Anspruch von Erwachsenen auf Ritalin oder andere Arzneimittel mit dem Wirkstoff Methylphenidat bei ADHS
Leitsatz (amtlich)
Erwachsene haben keinen Anspruch auf Versorgung mit Ritalin oder anderen Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Methylphenidat zur Behandlung einer Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung.
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 21.02.2005 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Versorgung der Klägerin mit dem Arzneimittel Ritalin zur Behandlung einer Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Erwachsenenalter; das Medikament ist ebenso wie weitere Arzneimittel desselben Wirkstoffes (Methylphenidat) lediglich zur Therapie der ADHS bei Kindern zugelassen.
Die geborene Klägerin steht seit Jahren wegen ihrer ADHS in nervenärztlicher Behandlung des Dr S . Nach seinen Angaben im Klageverfahren - Befundbericht vom 20.09.2004 - leidet sie infolge der ADHS an depressiver Stimmungslage, Langeweile mit Antriebsstörung, Stimmungswechsel mit Lustlosigkeit, Konzentrationsminderung und Müdigkeit, Aufmerksamkeitsschwäche, Vergesslichkeit und vermehrter Ablenkbarkeit. Im motorischen Bereich ist sie nervös und zappelig, verträumt und unaufmerksam mit geringem Durchhaltevermögen und vorzeitigem Beenden von Tätigkeiten. Unter Hinweis auf erfolglose Therapieversuche mit verschiedenen Antidepressiva und die fehlende Verfügbarkeit der früher eingesetzten Medikamente Katovit und Captagon beantragte Dr S im September 2003 für die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Therapie mit dem nur für die Behandlung der ADHS von Kindern und Jugendlichen zugelassenen Medikament Ritalin, welches bei der Klägerin im Rahmen einer Probebehandlung bereits zur Besserung der Aufmerksamkeit, Reduktion der Vergesslichkeit und Antriebsbelebung geführt habe (Bericht des Dr S an die Beklagte vom 27.10.2003). Nach Beteiligung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) - Stellungnahme des Dr S vom 07.11.2003 - lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 18.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2004 ab, weil die Voraussetzungen des so genannten Off-Label-Use nicht erfüllt seien. Nach der sozialmedizinischen Beurteilung des MDK lägen keine ausreichend gesicherten Daten für die Behandlung Erwachsener mit dem Medikament Ritalin vor.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.03.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Speyer erhoben. Nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung des SG beschafft sie sich derzeit den Wirkstoff Methylphenidat (offensichtlich auf Grund privatärztlicher Verordnung) selbst, wobei für verschiedene Präparate monatliche Kosten zwischen 40 und 80 € entstehen. Sie hat geltend gemacht, die ADHS beeinträchtige sie in ihrer Lebensqualität dauerhaft und erheblich, eine Behandlungsalternative fehle und es bestehe entgegen der Einschätzung des MDK die begründete Aussicht, dass mit “Ritalin„ ein Behandlungserfolg erzielt werden könne. Das SG hat verschiedene Auskünfte hierzu eingeholt, nämlich des Berufsverbandes Deutscher Psychiater vom 15.07.2004 und 22.12.2004, des Herstellers von Ritalin Novartis Pharma GmbH vom 30.07. bzw. 04.08.2004, des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 16.08.2004 und des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit vom 06.10.2004 und 17.12.2004. Die Beklagte hat ein MDK-Gutachten von Dr vom 17.08.2004 aus einem anderen Verfahren vorgelegt.
Durch Urteil vom 21.02.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Versorgung mit Ritalin oder einem anderen Methylphenidat-haltigem Arzneimittel. Deren arzneimittelrechtliche Zulassung zur Behandlung der ADHS von Kindern und Jugendlichen umfasse nicht die Behandlung von Erwachsenen. Auch die Voraussetzungen, nach denen auf Grund der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Hinweis auf BSG 19.03.2002 - B 1 KR 37/00 R) ausnahmsweise die Anwendung eines Medikamentes außerhalb der zugelassenen Indikation möglich sei, lägen nicht vor. Es bestehe nicht auf Grund der Datenlage die begründete Aussicht, dass mit Methylphenidat-haltigen Arzneimitteln ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) zu erzielen sei. Zum einen sei unstreitig die Erweiterung der Zulassung nicht beantragt worden. Zum anderen seien nicht außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht worden, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zuließen. So gebe es für das Kinder- und Jugendalter etwa 250 Studien, die die Wirksamkeit von Methylphenidat nachweisen würden und die konsistent eine Responderrate von rund 75 % zeigten. In den bisher vorliegenden Studien für erwachsene Patienten liege die Responderrate zwischen 25 % und 78 % und v...