Entscheidungsstichwort (Thema)
Antragsrecht auf Ausschreibung. freigewordener Vertragsarztsitz. verbleibende Partner einer Gemeinschaftspraxis
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob beim Ausscheiden eines Arztes aus einer Gemeinschaftspraxis in einem Gebiet mit Zulassungsbeschränkungen auch den verbleibenden Ärzten ein Antragsrecht auf Ausschreibung des Vertragsarztsitzes zusteht.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes in einem Gebiet mit Zulassungsbeschränkungen gemäß §§ 103 Abs 4 und 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Die Kläger, zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassene Radiologen in einem Gebiet mit Zulassungsbeschränkungen, betreiben eine Gemeinschaftspraxis. In dieser Gemeinschaftspraxis war bis Ende Juni 1993 auch Frau Dr. L als Vertragsärztin tätig. Wegen Mutterschutzes beendete sie am 30.6.1993 ihre ärztliche Tätigkeit und auf Antrag beschloß der zuständige Zulassungsausschuß das Ruhen ihrer Zulassung bis zum 31.12.1993. Mit Wirkung zum 1.1.1994 hat Frau Dr. L auf ihre Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit verzichtet. Einen Antrag auf Ausschreibung des Vertragsarztsitzes stellte sie nicht.
Dies taten hingegen bereits im August 1993 die Kläger. Die Beklagte lehnte diesen Antrag jedoch mit Bescheid vom 8.10.1993 ab und begründete diesen im wesentlichen damit, daß den verbleibenden Partnern einer Gemeinschaftspraxis kein Antragsrecht zustehe. Nach erfolglosem Widerspruch wurde die sich anschließende Klage durch Urteil des Sozialgerichts (SG) Mainz vom 21.12.1994 in dem Verfahren S 2 Ka 7/94 als unbegründet abgewiesen, da Frau Dr. L zum Antragszeitpunkt noch nicht endgültig aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden war.
Am 29.12.1994 beantragten die Kläger erneut die Ausschreibung des Vertragsarztsitzes der ausgeschiedenen Frau Dr. L.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 10.2.1995 lehnte die Beklagte den Antrag abermals mit der Begründung ab, § 103 Abs 4 Satz 1 SGB V enthalte eine abschließende Aufzählung der antragsberechtigten Personen. Zu diesen gehöre der Vertragsarzt, dessen Zulassung durch Erreichen der Altersgrenze, Verzicht oder Entziehung endet bzw - im Falle des Endens seiner Zulassung durch Tod - dessen zur Verfügung über die Praxis berechtigte Erben. Die Regelung des § 103 Abs 6 Satz 1 SGB V erweitere den Kreis der Antragsberechtigten nicht. Sie besage mit dem Verweis auf die Absätze 4 und 5 des § 103 SGB V lediglich, daß auch ein Vertragsarzt, der seine Praxis bisher mit einem oder mehreren Partnern gemeinschaftlich ausgeübt habe, im Falle des Endens seiner Zulassung von der Ausschreibungsmöglichkeit in gleicher Weise Gebrauch machen könne, wie ein Vertragsarzt, der in einer Einzelpraxis niedergelassen sei. Der Unterschied bestehe lediglich darin, daß bei der Auswahl des potentiellen Praxisnachfolgers auch die Interessen der verbleibenden Partner angemessen zu berücksichtigen seien. Diese Situation wäre vermeidbar gewesen, wenn die Kläger nach dem Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelungen zum Zulassungsrecht ihren Gemeinschaftspraxisvertrag um einen Passus ergänzt hätten, der jeden ausscheidenden Partner im Falle eines Verzichtes zur Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes verpflichtet hätte. In diesem Falle hätte Frau Dr. L notfalls mit allen zivilrechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln zu einer Ausschreibung gezwungen werden können.
Der hiergegen von den Klägern eingelegte Widerspruch wurde vom Vorstand der Beklagten als Widerspruchsstelle mit Widerspruchsbescheid vom 20.4.1995 als unbegründet zurückgewiesen.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Mainz mit Urteil vom 24.4.1996 abgewiesen.
Hierin hat das erstinstanzliche Gericht darauf hingewiesen, daß den Klägern weder nach § 103 Abs 6 Satz 1 SGB V noch nach § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V ein Antragsrecht zustünde. Die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen bei Überversorgung nach § 101 SGB V führe dazu, daß in den betroffenen Gebieten ein Rechtsanspruch auf Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit grundsätzlich nicht mehr bestehe. Davon lasse § 103 Abs 4 SGB V jedoch als Ausnahme eine Zulassung zum Zwecke der Fortführung einer Praxis durch einen Nachfolger ausdrücklich zu, wobei diese Zulassung an ein Ausschreibungsverfahren gebunden sei. Dadurch solle die wirtschaftliche Verwertbarkeit einer Praxis in den für Neuzulassungen gesperrten Gebieten erhalten werden. Ausgehend von den Intentionen des Gesetzgebers und der wirtschaftlichen Verwertungsfähigkeit einer Praxis könne den verbleibenden Vertragsärzten einer Gemeinschaftspraxis kein Antragsrecht zugestanden werden. Die analoge Anwendung des Absatzes 4 des § 103 SGB V über Absatz 6 bedeute, daß das Antragsrecht im Falle des Ausscheidens des Arztes aus einer Gemeinschaftspraxis nur dem ausscheidenden Arzt oder im Falle des Todes dessen Erben zustünde. Auch nach § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V stünde den Klägern kein Antragsrecht zu. Die Bewerberauswahl finde zeitlich nach der Ausschreibung statt, so daß es gesetzeswidrig sei, hieraus ...