Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Festsetzungskompetenz der Krankenkassenverbände nach § 36 Abs 2 SGB 5. Klagebefugnis der Augenoptikerinnung sowie des Augenoptikerverbandes
Leitsatz (amtlich)
Die Festsetzungskompetenz der Krankenkassenverbände nach § 36 Abs 2 SGB 5 umfaßt alle von der Leistungspflicht der Krankenkassen umfaßten Kosten, also Material und Dienstleistungen, die bei Auswahl, Bearbeitung, Anpassung, Anprobe, Abgabe und Kontrolle von Sehhilfen anfallen.
Orientierungssatz
Die Interessenvertretungen der Augenoptiker (Augenoptikerverband und Augenoptikerinnung) sind befugt, ihre Rechte sowohl als Vereinigungen von Leistungsanbietern wie auch als Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen mit der Klage im eigenen Namen geltend zu machen.
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 15.8.1991 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob mit den für Sehhilfen festgesetzten Festbeträgen neben der Sachleistung auch die Dienstleistung abgegolten ist.
Die Spitzenverbände der Krankenkassen bestimmten nach Anhörung zumindest des Klägers zu 1) am 19.6.1989 ein Gruppensystem für die Festsetzung von Festbeträgen für Brillengläser und Kontaktlinsen. Auf dessen Grundlage setzten die beklagten Landesverbände der Krankenkassen und Verbände der Ersatzkassen am 11.4.1990 nach erneuter Anhörung des Klägers zu 1) gemeinsam und einheitlich die ab 1.8.1990 im Bereich des Landes Rheinland-Pfalz geltenden Festbeträge für Sehhilfen fest. In den Erläuterungen zu den Festbetragsgruppensystemen für Brillengläser (Nr. 2) und Kontaktlinsen (Nr. 3) heißt es, mit dem Festbetrag seien alle von der Leistungspflicht der Krankenkassen umfaßten Kosten für Material und Dienstleistungen abgedeckt. Nach der beigefügten Rechtsmittelbelehrung konnte gegen diese Festsetzung innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe beim Sozialgericht (SG) Mainz Klage erhoben werden. Die Festsetzung wurde im Bundesarbeitsblatt Nrn 7–8/1990 vom 31.7.1990 veröffentlicht. Einzelnen Augenoptikern oder deren Verbänden ist sie nicht zugestellt worden.
Am 13.8.1990 haben die Kläger zu 1) bis 3) beim SG Mainz die Klage gegen die Festsetzung eingereicht. Am 29.1.1991 sind die Kläger zu 4) bis 14) dem Verfahren beigetreten. Ihre Klagen seien zulässig. Die Kläger zu 1) bis 3) seien klagebefugt. Die Klagen der Kläger zu 4) bis 14) seien nicht verspätet. Es gelte die Jahresfrist, weil die beteiligten Augenoptiker nicht schriftlich belehrt worden seien. Die der veröffentlichten Festsetzung angefügte Rechtsmittelbelehrung könne keine rechtliche Wirkung haben. Sachlich sei die Festbetragsfestsetzung nicht haltbar. Die unterschiedslose Einbeziehung aller Dienstleistungen des Augenoptikers im Zusammenhang mit der Abgabe einer Brille oder Kontaktlinse sei vom Festsetzungsrecht der Beklagten nicht gedeckt. Dienstleistungen würden ihrem Wesen nach individualisiert erbracht. Sie könnten deshalb nicht in einer sachwidrigen und unverhältnismäßigen Weise generalisiert vergütet werden. Eine Trennung zwischen Materialbedarf und Dienstleistung sei notwendig. Dienstleistungen, die nicht als reine Annexe zu Materiallieferungen anzusehen seien, müßten aus der Festbetragsregelung eliminiert werden. Das gelte vor allem bei Kontaktlinsen, deren Preis sich zu rd 1/3 aus Materialkosten und zu 2/3 aus dem hohen Aufwand an besonderen Dienstleistungen (umfangreiche Meßvorgänge, Einsetzen von Probelinsen und zeitaufwendige Nachkontrollen) zusammensetze. Nach dem von Prof. Dr. Zacher im Juli 1990 erstatteten Rechtsgutachten sei die Festsetzung von Festbeträgen für Hilfsmittel, die mit wesentlich unterschiedlichen Dienstleistungen verbunden sind, ohne daß diese Festbeträge den Unterschieden im Dienstleistungsanteil Rechnung trügen, rechtswidrig.
Die Beklagten haben entgegnet, den Klägern zu 1) bis 3) fehle die Klagebefugnis. Als Innungen bzw Innungsverband seien sie nicht dadurch in eigenen Rechten verletzt, daß die Innungsmitglieder möglicherweise wirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen müssen. Die über den Kläger zu 1) informierten Kläger zu 4) bis 14) seien nicht gehindert gewesen, entsprechend der ordnungsgemäß bekanntgemachten Rechtsmittelbelehrung rechtzeitig Klage zu erheben. Die Einbeziehung aller von Augenoptikern im Zusammenhang mit der Abgabe einer Sehhilfe erbrachten Dienstleistungen in die Festbetragsfestsetzung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Von einer differenzierten Behandlung der in der Versorgung mit Brillen enthaltenen Dienstleistungen sei im Gesetz keine Rede. Auch aus dem Begriff „Hilfsmittel” lasse sich dafür nichts herleiten. Nach Auffassung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (Schreiben vom 5.3.1990) und des Bundesministers für Gesundheit (Schreiben vom 1.3.1991) lasse das Festbetragskonzept keinen Raum für eine Aufspaltung des Festbetrags in...