Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch. Feststellung des Familieneinkommens. Jahreseinkommen des Berechtigten. Ausschluß des Verlustausgleichs bei der Berechnung des maßgeblichen Einkommens

 

Orientierungssatz

1. Bei der Kindergeldgewährung über den Sockelbetrag hinaus handelt es sich - anders als bei der Kindergeldgewährung in Höhe des Sockelbetrages - nicht um einen Dauerverwaltungsakt ab Leistungsbeginn bis zum Erlaß eines Bescheides über eine wesentliche Änderung gemäß § 48 SGB 10. Da die maßgebende Höhe des steuerpflichtigen Einkommens schwanken kann und damit die Voraussetzungen für Kindergeld über den Sockelbetrag hinaus jährlich neu zu prüfen sind, müssen jährlich neue Bescheide ergehen.

2. Die Regelung des § 10 Abs 2 BKGG wonach bei der Feststellung des Familieneinkommens auf das Jahreseinkommen des Berechtigten und seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten abzustellen ist, unabhängig davon, ob der Ehegatte des Kindergeldberechtigten auch Vater der zum Kindergeldanspruch führenden Kinder ist, ist verfassungsgemäß.

3. Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, daß in § 11 Abs 1 BKGG ein Verlustausgleich bei der Berechnung des für die Kindergeldbemessung maßgeblichen Einkommens ausgeschlossen ist (vergleiche, BVerfG vom 29.5.1990 - 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86) = SozR 3-5870 § 10 Nr 1).

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Kindergeldes für die Jahre 1988 bis 1994.

Die Klägerin ist die Mutter der Kinder A. P. (geboren am 18.7.1966), Marcus Pfeiffer (geboren am 30.7.1967), R. P. (geboren am 9.6.1971) und U. P. (geboren am 10.9.1975). Ihr erster Ehemann verstarb 1978, seit dem 24.9.1983 ist sie in zweiter Ehe verheiratet. Die Klägerin bezog bis Dezember 1983 Kindergeld für ihre Kinder. Ab Januar 1984 wurde das Kindergeld an den zweiten Ehemann der Klägerin gezahlt. Mit Bescheid vom 29.8.1988 wurde der Klägerin auf ihren Antrag für die Kinder A, R und U gemindertes Kindergeld in Höhe des Sockelbetrages von insgesamt 260,-- DM ab Juli 1988 bewilligt. Mit Bescheid vom 11.11.1988 wurde ab Oktober 1988 außerdem wieder gekürztes Kindergeld für das Kind Marcus gewährt.

Im September 1988 übersandte die Klägerin auf Anforderung der Beklagten den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1986 für sich und ihren Ehemann, gleichzeitig widersprach sie der Berücksichtigung des Einkommens ihres Ehemannes beim Kindergeld, da dieser als Stiefvater ihrer Kinder kein Sorgerecht und keine Unterhaltsverpflichtung besitze. Aus dem Steuerbescheid vom 4.1.1986 ergab sich für die Klägerin und ihren Ehemann ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 426.335,-- DM.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 2.1.1989 mit der Begründung zurück, gemäß § 10 Abs 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) sei von dem Jahreseinkommen des Berechtigten und seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten auszugehen. Der Ehemann der Klägerin sei als Stiefvater der Kinder grundsätzlich auch Kindergeldberechtigter. Er beziehe nur deshalb kein Kindergeld mehr für die Kinder der Klägerin, da diese als Kindesmutter gegenüber ihrem Ehemann den vorrangigen Anspruch habe. Als Jahreseinkommen gemäß § 11 BKGG gelte die Summe der im maßgeblichen Kalenderjahr erzielten positiven Einkünfte, ein Ausgleich mit Verlusten aus anderen Einkommensarten und mit Verlusten des Ehegatten sei nicht zulässig. Das durch Vorlage des Einkommensteuerbescheides 1986 nachgewiesene Jahreseinkommen übersteige den Freibetrag nach § 10 Abs 2 Satz 3 BKGG erheblich, so daß das Kindergeld für das zweite und dritte Kind sowie das ab Oktober 1988 zu berücksichtigende vierte Kind bis auf den Sockelbetrag zu mindern gewesen sei.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Speyer (SG), da die Berücksichtigung des Einkommens ihres Ehemannes und die nicht mögliche Heranziehung des Verlustes aus anderen Einkommensarten verfassungswidrig sei. Das SG hat das Verfahren im Einverständnis mit den Beteiligten zum Ruhen gebracht.

Mit Bescheid vom 4.7.1989 wurde der Klägerin mitgeteilt, daß Kindergeld ab Juli 1989 nur in Höhe des Sockelbetrages gezahlt werden könne. Entsprechende Bescheide ergingen am 16.11.1989 für das Jahr 1990, am 28.11.1990 für das Jahr 1991 und am 18.11.1991 für das Jahr 1992.

Nach Wiederaufnahme des Verfahrens hat das SG mit Urteil vom 10.4.1996 die Klage abgewiesen (Az.: S 4 Kg 3/95). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung von Kindergeld in ungekürzter Höhe. Das Jahreseinkommen der Klägerin sowie ihres Ehegatten im maßgeblichen Kalenderjahr 1986 liege ganz erheblich über dem maßgeblichen Freibetrag im Sinne des § 10 Abs 2 Satz 3 BKGG. Infolge dessen sei die von der Beklagten vorgenommene Kürzung des Kindergeldes ab dem zweiten Kind auf den sogenannten Sockelbetrag zutreffend gewesen. Daß auch das Einkommen des Ehegatten der Klägerin berücksichtigungsfähig sei, ergebe sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der maßgeblichen Vorschrift de...

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