Verfahrensgang

SG Mainz (Urteil vom 23.02.1994; Aktenzeichen S 1 Ka 156/92)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.12.1996; Aktenzeichen 6 RKa 66/95)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 23.2.1994 wie folgt ergänzt:

Die Beklagte wird verurteilt, weitere 400,– DM an die Klägerin zu zahlen.

Außerdem wird festgestellt, daß die Beklagte nicht berechtigt ist, weitere Aufrechnungen oder Verrechnungen wegen der unter Hinweis auf die strafgerichtliche Verurteilung des Beigeladenen behaupteten Ansprüche gegenüber der Klägerin vorzunehmen.

2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte wehrt sich mit der Berufung gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 598.018,09 DM an die Klägerin. Die Klägerin erstrebt dagegen mit ihrer Berufung weiterhin die Feststellung, daß die Beklagte nicht berechtigt ist, im Zusammenhang mit dem Strafverfahren gegen den Beigeladenen behauptete Ansprüche im Wege der Aufrechnung oder Verrechnung ihr gegenüber geltend zu machen. Außerdem begehrt sie im Wege der Klageerweiterung, die Beklagte zur Zahlung weiterer 400,– DM an sie zu verurteilen.

Der Beigeladene war seit 1976 als Kassenzahnarzt in S. tätig. Am 5.4.1990 erhob die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach gegen ihn Anklage wegen fortgesetzten Betrugs in der Zeit von 1982 bis 1988, durch den er sich von den Krankenkassen und den Patienten zu Unrecht Honorare in Höhe von mindestens 1.589.336,24 DM, davon 1.126.816,50 DM zu Lasten der Krankenkassen verschafft habe. Der Vorwurf ging dahin, daß der Beigeladene bewußt wahrheitswidrig nicht oder nicht abrechnungsfähig erbrachte Leistungen abgerechnet habe. In zahlreichen Fällen seien vorwiegend die Gebührenposition 105 und 107 der BEMA-Z die Gebührennummer Ä 925 und bmF (12) wegen Verstoßes gegen Diagnose- und Dokumentationspflichten zu Unrecht in Ansatz gebracht worden. Teilweise seien im Bereich der konservierenden Behandlung auch zu Unrecht Rezepte ausgestellt worden. In zwei Fällen sei die Behandlung vor Beginn des Versicherungsschutzes der Patienten durchgeführt und nach dessen Eintritt abgerechnet worden. In zahlreichen Fällen habe der Beigeladene auch gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung verstoßen. Insbesondere im Bereich der kieferorthopädischen, aber auch im Rahmen konservierender und prothetischer Behandlungen habe er ihm selbst obliegende zahnärztliche Arbeiten durch Zahnarzthelferinnen durchführen lassen und sich bei der Kieferorthopädie unter Verstoß gegen die einschlägigen Abrechnungsvorschriften der Mithilfe einer Kieferorthopädin bedient. Weiterhin seien prothetische Arbeiten und Parodontosebehandlungen nicht in vollem Umfang erbracht und aus diesem Grund falsch abgerechnet worden. Schließlich habe er auch noch erhöhten Goldverbrauch abgerechnet.

Nach Beschränkung der Anklage bezog sich das Strafverfahren nur noch auf die Komplexe Goldabrechnung, kieferorthopädische Behandlungen (KFO) und Prothetik. Der Beigeladene wurde insoweit durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 4.11.1991 – 3 Js 78/88 – wegen Betrugs in 94 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Nach den Feststellungen des Strafurteils verschaffte sich der Kläger in den Jahren 1984 bis 1986 durch Abrechnung größerer als der tatsächlich verbrauchten Goldmengen zu Unrecht insgesamt 16.023,45 DM. – Bei der KFO erbrachte der Beigeladene in den Quartalen I/83 bis I/88 die abgerechneten Leistungen ganz überwiegend nicht selbst. Obwohl wegen der von den Hilfskräften ausgeführten Leistungen keine Beanstandungen bekannt geworden seien, habe er dafür insgesamt mindestens 196.962,26 DM zu Unrecht abgerechnet und erhalten. – Bei den Prothetikleistungen gliederte er von 1983 bis 1988 nahezu regelmäßig Kronen und Brücken nur mit einem provisorischen Zement ein. Danach rechnete er ab, obwohl ihm bekannt war, daß ihm ein Honoraranspruch erst nach endgültiger Eingliederung zustand. In einigen Fällen erfolgte die endgültige Eingliederung zwar noch nach der Abrechnung. In diesen Fällen wurde ein Betrug aber darin gesehen, daß er sich das ihm im Zeitpunkt der Abrechnung noch nicht zustehende Honorar vorzeitig verschafft habe. Von den auf diese Weise (ohne Goldkosten) zu Unrecht abgerechneten 249.565,58 DM entfielen 186.035,24 DM auf den Kassenanteil.

Mit Schreiben vom 24.3.1988 meldete der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten bei der Klägerin vorsorglich zur Fristwahrung einen nicht näher bezifferten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch an. Die Klägerin unterrichtete den Beigeladenen davon mit Schreiben vom 29.3.1988 und kündigte darin Honorareinbehaltungen an, die später auch teilweise vorgenommen wurden. Am 16.3.1990 und 12.9.1990 forderte sie den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten zur Bezifferung auf. Diese erfolgte für alle von ihm vertretenen ...

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